Weinzirl 04 - Gottesfurcht
einen
kräftigen Zug aus einer Weinflasche und reichte diese Gerhard, der sofort
zugriff. Wo er doch sonst nie Wein trank.
Sie knutschte noch
mal die weiche Pferdenase und lachte Gerhard an. »Meine Mutter hasst es, wenn
ich Pferde küsse. Das sei unhygienisch. Wie kann so was Süßes denn unhygienisch
sein?«
Gerhard fand es auch
unpassend, ein Pferd zu küssen. Weniger wegen der Hygiene. Es war einfach
Verschwendung. Er riss sich zusammen. »Der größere von den beiden, das ist doch
ein Fjordpferd. Aber der ist so grau.«
»Ein Fachmann! Ja,
das ist ein Fjordpferd, allerdings ein Graufalbe. Woher kennst du Fjordpferde?«
»Eine, eine Bekannte
von mir hat eins. Aber in Beige oder wie man die Farbe nennt.«
»Falb«, sagte die
Fee, und beide streichelten je ein Fohlen.
»Besser als
fernsehen«, sagte sie nach einer Weile.
»Unbedingt«, sagte
Gerhard und nahm einen Schluck vom Wein.
»Weiß du, woran man
erkennt, dass man zu viel fernsieht?«, fragte sie.
Gerhard lächelte sie
an. »Nein.«
»Wenn du glaubst,
dass Gérard Depardieu Amerika entdeckt hat.«
Sie lachten beide,
ziemlich lange und ausgelassen. Als sie aufstand, um zu gehen, sagte sie noch: »Wenn du gerne joggst, können wir doch mal gemeinsam laufen und die Fohlen
mitnehmen? Die rennen auch gerne.«
Gerhard versicherte
ihr euphorisch, wie gut die Idee sei. Wenn sie dabei war, hätte er auch einen
Elefantenbullen und eine Nashornkuh mitgenommen. Gerhard schmunzelte, als er
ins Bett schlüpfen wollte. Das Leben war gar nicht so schlecht. Oder doch? Auf
dem Bett lag sein neuer Kater-Freund und blickte stolz auf seine Beute
herunter. Sie war gelbgrün. Ein Wellensittich! Was der Kater dachte, war klar.
»Schau mal, ich hab mir was Exotisches mitgebracht. Vom Chinesen.« Und obgleich
ein entflogener Wellensittich mitten im Winter wahrscheinlich froh sein musste,
gefangen worden zu sein. »Du scheußliche Kreatur. Was willst du denn mit dem
machen?«
Die Antwort blieb
ihm der Kater nicht schuldig. Er verzog sich mit dem leblosen Opfer unter
Gerhards Bett und verspeiste es. Gerhard hörte das Knacken der Knöchelchen, und
später in der Nacht, als der Kater längst wieder unter der Decke lag, glaubte
er ein herzhaftes Rülpsen zu vernehmen.
Als Gerhard schon um
sieben auf der Inspektion ankam, war Baier wie immer bereits da. Er stellte
Gerhard zwei Teller mit je drei Weißwürsten, Hendlmaiersenf und zwei leichte
Weiße auf den Tisch. »Mahlzeit.«
Nach der ersten
Weißwurst lehnte er sich zurück. »Schließen wir den Lutz und den Korntheurer
wirklich mal aus. Bleiben Stuckenzeller und Hareither. Sie geben sich
gegenseitig Alibis, die keine wirklichen sind. Denn beide waren am Friedhof und
damit in der Nähe des Döttenbichls. Hareithers Frau sagt zwar, er sei um
zwanzig vor eins zu Hause gewesen, aber die Zeit hätte gereicht für den Mord.
Krieg das nicht zusammen. Wieso hat Ihnen Stuckenzeller den ganzen Kladderadatsch
erzählt, Herrschaft Zeiten?« Baier ließ den Finger auf seinem Weißbierglas
kreisen.
»Das frage ich mich
auch, immerzu. Bis gestern dachte ich, dass er sich und Hareither belastet.
Dann hon i mi verkopft und ghirnt, ob er jemanden schützen will. Aber dieser
Stuckenzeller ist sicher keiner, der sich schützend vor Mitmenschen stellt.
Bleibt eigentlich nur die Möglichkeit, dass er trickst. Er geht in die
Offensive. Er rechnet ein, dass wir uns kaum vorstellen können, dass sich einer
selbst belastet.«
»Ist der so schlau?
Wäre ja sehr gewitzt.« Baier wiegte den Kopf.
»Dumm ist der nicht,
bloß grob. Ich traue dem mehr Finesse zu, als sein Auftreten vermuten lässt.
Vielleicht versuchte er eben doch ganz perfide, unseren Blick auf Hareither zu
lenken. Am Ende bleibt Hareither der Hauptverdächtige, er ist ja auch der
Hauptgeschädigte, oder?«
»Ihr Wort in Gottes
Gehörgang, Weinzirl. Für mich ist Hareither auch der Hauptverdächtige. Müssen
rausfinden, warum. Vielleicht ist da noch mehr im Busch. Aber momentan stecken
wir fest. Verdammich. Bleibt uns nur, auch noch diesen Korntheurer und den Lutz
zu vernehmen. Wir müssen die Herren so lange bearbeiten, bis sich einer von
denen in Widersprüchen verstrickt. Aber der Lutz bräunt irgendwo in Miami
Beach.« Er sprach das aus wie Mi-Ammi-Bech. »Nehmen Sie sich morgen und
übermorgen frei. Rein ins Silvestervergnügen, wir sehen uns dann am Zweiten.«
»Und Korntheurer?«
»Hat Zeit bis zum
Zweiten!«
9
Gerhard schlief.
Lang, ungewohnt lang. Dann beschloss er,
Weitere Kostenlose Bücher