Weinzirl 04 - Gottesfurcht
zurückzurollen und es erneut
auf griffigem Pressschnee zu versuchen: Kaum Gas, Fußspitzengefühl – der Wagen
bekam wieder Bodenhaftung. Gerhard schleuderte regelrecht vor den Eingang des
Museums.
Der Mercedes-Jeep
stand da, Frau Filleböck war verschwunden. Gerhard und Baier stürzten in den
Eingangsbereich, wo sich ihnen Richard, der Museumsbauer, in den Weg stellte: »Des goht ietzt it. Mir hond a ekschtra Führung für Bürgermeischter aus
Frankreich, die wo in Bayern a Partnergmuind hond.«
»Weg!« Gerhard
schubste Richard regelrecht zur Seite und rannte die Treppe hinauf. Natürlich: Filleböck konnte seit dem marokkanischen Intermezzo sicher perfekt Französisch.
Gerhard stoppte jäh am Modell einer Kuh ohne Hörner. Filleböck stand da, seine
Frau redete auf ihn ein und versenkte etwas in seiner Jackentasche. Sie waren
umrahmt von etwa fünfzehn Leuten. Unter ihnen waren Immenstadts Bürgermeister
und Jo. Jo?! Aber natürlich. Jo, die Tourismusdirektorin, Jo, die auch sehr gut
Französisch konnte, Jo in ihrer Welt, in ihrer Arbeit, in ihrer Heimat. Was
überraschte ihn das so, dachte Gerhard noch, sie müsste überrascht sein. Aber
bevor er Jos Blick suchen konnte, hatte Baier einen Schritt auf Filleböck
zugemacht. »Herr Filleböck, wir würden gerne mit Ihnen reden.«
Filleböck nickte und
bat die Delegation, seine Frau und den Bürgermeister vorzugehen ins
Freigelände. Jo stand da noch immer, eingeklemmt zwischen der hornlosen Kuh und
Filleböck. Sie sah irritiert zur Treppe, wo nun auch Markus Holzapfel und Evi
standen, und sie blickte in den Raum hinein, wo Baier und Gerhard sich
aufgebaut hatten. Gerhard wollte Jo gerade zu sich herwinken, als Filleböck sie
wie ein Kavalier am Arm nahm und sagte: »Da geben wir nun aber kein positives
Bild für den Allgäutourismus ab, was, Frau Kennerknecht? Wir bemühen uns, den
Franzosen die Schönheit dieser Gegend zu präsentieren, und da taucht hier die
Polizei auf.«
Jo lachte und hängte
sich ihrerseits bei ihm ein. »Ja, genau, was ist los? Evi? Gerhard? Ihr dürft
uns doch nicht den besten Touristenführer, den wir haben, verprellen.«
Sie hatte zuerst Evi
genannt, das notierte Gerhard, und dass sie leicht angetrunken war, angesichts
des Champagners und der vielen leeren Gläser im Eingangsbereich war das leicht
zu erklären.
Baier versuchte
näher an Filleböck heranzukommen. »Herr Filleböck, wir hätten gerne gewusst,
was Sie am 21. im Eibenwald, am 26. am Döttenbichl und am 1. in Peißenberg
gemacht haben.«
»Warum, war ich
dort?«
»Ja!«, rief Gerhard.
»Wurde ich gesehen?«
»Nein, aber wir
haben Ihre Fingerabdrücke«, pokerte Gerhard.
»Das glaube ich
nicht. Ich habe gelernt, ein Phantom zu sein«, sagte Filleböck leise. »Ich
hatte viel Gelegenheit, das zu trainieren.«
Jo versuchte den Arm
zu lösen, aber Filleböck hatte sie fest umfasst. Sie schickte flehende Blicke
zu Gerhard, der ihr seinerseits versuchte zu vermitteln, dass sie stillhalten
solle und er da sei.
»Geben Sie die Morde
an Georg Kölbl und Paul Matzke zu?«, fragte Baier. Jo entfuhr ein kleiner
Schrei, Gerhard wurde immer mulmiger zumute.
Filleböck lächelte
Jo an. »Frau Kennerknecht, Sie haben mir gar nicht gesagt, dass Sie hier ein
spontanes Theaterstück proben. Da will ich mal mitspielen.« Er wandte sich
Baier zu. »Ich gebe gar nichts zu. Ich habe übrigens mehrmals im meinem Leben
etwas zugegeben, an dem ich keine Schuld trug. Daraus habe ich gelernt.«
»Dann können Sie ja
diesen Bann durchbrechen und etwas zugeben, das sie tatsächlich getan haben«,
sagte Baier.
Karl Filleböck
schenkte Jo ein kurzes aufmunterndes Lächeln. Und dann riss er plötzlich ein
Messer aus seiner Tasche und hielt es ihr an die Gurgel. Evi, Gerhard und Baier
hatten ihre Waffen entsichert, zu spät.
Filleböck sagte
leise: »Verzeihen Sie, Frau Kennerknecht. Ich wiederhole mich nur ungern. Aber
ich gebe gar nichts zu. Niemals. Sie werden gar nichts beweisen können. Ich habe
wirklich aus meinem Leben gelernt.«
Langsam dirigierte
er Jo zur Treppe, die Polizisten wichen zurück. Gerhard sah den Ausdruck in Jos
Augen und wusste, dass er den niemals mehr vergessen würde. Filleböck blieb
stehen. »Ich gehe jetzt hier hinaus, und Frau Kennerknecht wird mich
begleiten.«
»Herr Filleböck, das
ist Wahnsinn. Sie haben keine Chance, und wenn Sie unschuldig sind, dann machen
Sie sich erst jetzt schuldig«, sagte Evi.
»Erzählen Sie mir
nichts von Schuld und Unschuld.«
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