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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Er drücke das Messer etwas fester an Jos
Kehle, die aufstöhnte. Baier machte eine Handbewegung. Alle ließen die Waffen
sinken und mussten zusehen, wie Filleböck Jo zum Mercedes-Geländewagen
dirigierte. Er nahm den Schlüssel aus seiner Jackentasche, das war es also
gewesen, was seine Frau ihm zugesteckt hatte. Gerhard verfluchte seine
Naivität. Sie hatte ihm also ein Fluchtfahrzeug beschafft. Nur deshalb war sie
nach Diepolz gerast. Filleböck zwang Jo, auf dem Fahrersitz Platz zu nehmen,
und nötigte sie mit gezücktem Messer loszufahren.
    Jo schoss rückwärts,
die anderen sprangen in ihre Autos. Baier hatte schon alle Streifenwagen
alarmiert und durchgegeben, Filleböck auf keinen Fall aufzuhalten, um das Leben
der Geisel nicht zu gefährden. Baier war ruhig, völlig ruhig, er hatte sogar
seinen Pitbull- Ton abgelegt.
    Sie donnerten hinter
dem Mercedes-Jeep durch Freundpolz und Rieggis, das Dienstfahrzeug schleuderte,
der Mercedes ruckte nicht mal. Auch Evi und Markus Holzapfel, die hinter ihnen
waren, hatten Probleme.
    »Wo will er hin? Um
Himmels willen, was tut er Jo an? Wir müssen etwas tun. Straßensperren, wir
müssen …«
    »Gar nichts müssen
wir.« Baier hatte wieder diesen Ton angeschlagen, den Gerhard einmal erlebt
hatte. Der ihn hatte verstummen lassen. »Herr Weinzirl, auch und gerade wenn
Sie die Dame kennen, wir sind Profis. Wir folgen ihm. Wir dürfen das Leben
Ihrer Freundin nicht gefährden.« Er sah zu Gerhard hinüber, und es war
Mitgefühl in Baiers Augen. »Reiß di zamm.« Er hatte das ganz leise gesagt. Dann
ging er wieder zum Sie über. »Er kann nicht ewig fahren, jedes Auto braucht mal
Benzin. Wir müssen abwarten.«
    Sie waren durch
Niedersonthofen gejagt, Jo fuhr wie Kimi Räikkönen. Was machte dieser Filleböck
mit ihr? Aber solange sie fuhr, lebte sie schließlich noch. Das Leben, das verdammte
Leben. Irgendwann gab es einen Punkt, wo nur noch das Überleben zählte. Nichts
sonst mehr.
    Der Mercedes fuhr
Richtung Autobahn und nahm die Ausfahrt nach Füssen.
    »Wo will er hin?«,
fragte Baier. »Verdammich.« Baier war ständig über Funk mit den Streifenwagen
in Kontakt. Als sie das Autobahnende erreicht hatten, konnte er gerade noch
einen Ostallgäuer Kollegen davon abhalten, eine Wagenkolonne am Attlesee quer
zu stellen. Jo raste den Hügel beim Haflingerhof hinauf, sie slidete durch
Rosshaupten und raus auf die Schnellstraße. Dann schoss der Mercedes rechts
weg. Evi war über Funk zu hören: »Es ist Wahnsinn, was der macht. Gerhard, Jo
geht es gut. Jo kann Auto fahren.«
    O ja, Jo konnte Auto
fahren, besser als er, besser als alle Männer, die er kannte. Aber wie fuhr man
mit einem Messer an der Schläfe? Auf der Brücke in Lechbruck war es eisig,
Baier kam wieder ins Trudeln und konnte den Wagen gerade noch abfangen. In der
Höhe Steingädele zeigte der Tacho hundertsiebzig. »Das ist Wahnsinn«, sagte nun
auch Baier. Er war grau im Gesicht und schrie Befehle in den Funk. Sie jagten
durch Steingaden und durch den dunklen Wald mit seinen fiesen Kurven, die so
unangenehm zumachten.
    »Er fährt heim. Jo
fährt ihn heim. Wo will er bloß hin?« Gerhard spürte auf einmal, was Panik war.
In einer Kurve brach das Heck des Mercedes aus, er kam gefährlich nah an den
Waldrand. Wenn sie verunglücken, erfahren wir nie, ob er es war, dachte Gerhard
und hasste sich. Es ging nur noch um Jo. Er spürte den Drang zu reden.
    »War er es? Hat er
die Männer ermordet? Was ist mit Draxl passiert? Was? Diese wilde Flucht ist
doch ein Schuldeingeständnis, oder?«
    »Wir werden es
erfahren, wenn er anhält. Wenn er anhält …« Baier klang nicht gut. So hatte ihn
Gerhard noch nicht erlebt. Brummig, ja. Knorzig, ja. Ironisch, sarkastisch, ja.
Aber nicht so.
    Der Wagen vor ihnen
schlitterte plötzlich rechts weg Richtung Wieskirche. Baier hatte alle Mühe,
sein Auto auf Spur zu halten. Der Tacho zeigte immer noch fünfundachtzig. Es
war Wahnsinn, mehr als das.
    »Er kennt sich aus.
Der will nach Unternogg!« Baiers Stimme brach. Die Straße war schneebedeckt,
Blätter mischten sich mit dem Schnee. Baier verriss das Steuer, lenkte gegen,
drehte sich um dreihundertsechzig Grad und blieb stehen. Hinter ihm kam Evi zum
Halten.
    »Wir verlieren
ihn!«, rief Gerhard und schrie in den Funk: »Straße sperren bei Altenau! Er
kommt von Unternogg!«.
    Baier sah ihn nur
an. Nichts sonst. Und gab Gas. In Altenau sahen sie den Streifenwagen mit
Blaulicht. Der Kollege deutete hektisch nach links.

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