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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Tausendfach
schlimmer.«
    Für einen Moment war
es so still, dass man das Knacken des nassen Holzes im Herd wie Explosionen hören
konnte. Dann polterten die Männer hinaus.
    Die nächsten Tage
erlebte Karli, als wäre er tief versunken in ein Buch. Eine grausame
Geschichte, eine ungerechte Geschichte wurde erzählt. Es war seine Geschichte
da zwischen den Buchdeckeln, aber das konnte er nicht begreifen. Es traten
Zeugen auf. Die Frau mit den kurzen Haaren. Sie erzählte, dass Karli mit Magda
zusammen gewesen wäre. Schon im vorigen Sommer. Dass Magda ein Kind erwarte,
von Karli. Sie hätte es ihr erzählt.
    Der Pfarrer machte
Aussagen. »Der Junge hatte immer schon kriminelle Neigungen. Trotz seines
hervorragenden Elternhauses«, er nickte Karlis Vater zu, »und unser aller
Bemühungen hat er sich immer als widerspenstig erwiesen. Es ist in ihm, das
Böse.«
    Der Vater wurde
mehrfach befragt. Er sagte stets dasselbe. »Der Bub ist durchgedreht, weil die
Frau ihm ein Kind anhängen wollte.« Dann hat er immer besorgt ausgesehen und
gesagt: »Gott sei ihm gnädig«. Einmal hatte Karli nicht zu Boden gesehen bei
seiner Aussage. Und da war dieser Spott in den Augenwinkeln des Vaters. Nur für
Karli sichtbar.
    Nach einigen
Prozesstagen gestand Karli den Mord. Der Pfarrer schaute triumphierend drein.
Es war wie immer! Alles war gut! Er hatte in der Schule die Gebote gelernt,
aber am Ende zugegeben, es nicht getan zu haben. Er hatte nicht gemordet und am
Ende zugegeben, es getan zu haben. Alle waren zufrieden. Damals waren sie
zufrieden gewesen und hatten von ihm abgelassen. Heute waren sie zufrieden. Nur
Gott war sein Zeuge, und der schwieg, wie immer.
    *
    Gerhard sah
Frau Filleböck unverwandt an. »Er hat sie also nicht umgebracht, diese Magda
Alsbeck?«
    »Nein, aber keiner
wollte ihm glauben.«
    » Das sagt ihr Mann.«
    »Ja, das sagt mein
Mann.«
    »Und was sagt er
über seinen Vater und den Pfarrer?«
    »Er sprach von deren
Feigheit und Falschheit und bauernschlauer Arroganz.«
    »Hat er sie
umgebracht, nach seiner Entlassung?«
    »Fragen Sie ihn.«
Frau Filleböck war immer noch ganz ruhig und gefasst.
    »Frau Filleböck, das
werde ich tun, und wir werden ihn auch fragen, weshalb er die alten Freunde
umgebracht hat. Warum nach all den Jahren? Wieso diese späte Rache? Es muss
einen Auslöser gegeben haben. Ich verstehe das nicht, Sie?«
    »Man muss nicht
alles verstehen wollen, einfach nur tolerieren«, sagte Maria Filleböck.
    Gerhard sah sie
überrascht an. Das war wohl das Geheimnis ihrer Ehe, jeder Ehe, jeder
Beziehung. »Frau Filleböck, da tun wir uns schwer, Mord können und dürfen wir
nicht tolerieren! Hat sich etwas verändert die letzte Zeit?«
    Sie war zur
Terrassentür gegangen und sah hinaus. »Verändert?«
    »Ja, verändert! Ist
Ihr Mann aggressiver, depressiver, was weiß ich.«
    »Mein Mann ist weder
aggressiv noch depressiv. Er ist meist sehr beherrscht.«
    »Meist?« Evi hatte
sich eingeschaltet. »Frau Filleböck, Sie haben sicher einen hohen Preise bezahlt
in einer Beziehung, die immer nur auf Freundschaft, aber nie auf Liebe gefußt
hat. Sie sind sicher oftmals auf heißen Kohlen gegangen und auf Scherben
balanciert. Gerade Sie haben bemerkt, wenn sich Ihr Mann verändert hat!«
    Das war als
unumstößliche Feststellung formuliert. Evi war gut, verdammt gut, dachte
Gerhard.
    »Wenn verändert,
dann nicht in der letzten Zeit. Es war im Februar 2004. Er hatte irgendetwas im
Fernsehen gesehen. Ich weiß nicht, was es war. Ich war oben und habe gelesen.
Aber als ich runterkam, saß er wie versteinert da. Starrte auf den
ausgeschalteten Apparat. Als habe er Gespenster gesehen. Nein, er hat
Gespenster gesehen.«
    »Wie bitte?«
    »Nun, er hat gesagt: Die Schattengestalten sind wieder da. Und dann hat er unentwegt gemurmelt. Es
geht nicht ohne Bass. Es geht einfach nicht ohne Bass.«
    *
    Fuizbuam
Frühjahr 2004
    Plötzlich hörte Karl
das Lied. Es war diese Stimme, die er heraushörte. Dieser erste Tenor! Dieser
Tick, die andern zu übersingen, nur ein Hauch und für weniger musikalische Zuhörer
nicht hörbar. Es war wie gestern, er war schon versucht, in die Hände zu
klatschen und zu rufen: Herrgott, Hansl, reiß di zamm, du bist scho wieder zu
laut. Es war wie immer und doch Jahrzehnte her. Er hätte nie gedacht, dass die
Erinnerung so machtvoll heranzustürmen vermochte, wie sie, einem Orkan gleich,
jetzt in seinen Ohren brauste. Für einige Sekunden war es, als hätte er die
Orientierung in

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