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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Natürlich, er war die
Nebenstrecke nach Saulgrub gefahren. Dort, an der Einfahrt nach Kohlgrub, war
wieder ein Streifenwagen postiert, Kollege Fischer stand halb auf der Straße
und brüllte: »Er musste an der Bahn halten. Wir wussten nicht, was wir tun
sollten.«
    Baier gab Gas, kurz
vor Baiersoien sahen sie den Jeep. Er raste weiter. Von vorn kam Blaulicht, Jo
riss anscheinend das Steuer herum, der Wagen kreiselte und blieb mitten auf der
Echelsbacher Brücke stehen. Er war gefangen zwischen dem Blaulicht und Baier.
Gerhard und Baier hatten die Waffen gezückt. Der Mercedes stand ganz still.
Dann ging die Tür auf. Jo kam heraus, das Messer lag an ihrer Kehle.
Urplötzlich stieß Filleböck sie zu Boden und schwang sich athletisch auf das
Geländer. Es war zwar angeschrägt und neuerdings so gebaut, dass es nicht
gerade einlud zum Sprung, aber für einen großen sportlichen Mann kein Hindernis
war.
    »Bleiben Sie
stehen!« Gerhard schrie und zielte auf Filleböcks Knie. Er wollte die
Geschichte. Er wollte die Geschichte hinter Draxl, den Augen von Kölbl und dem
Entsetzen über Matzke. Er wollte die Wahrheit über den Pfarrer. Er wollte ein
Warum! »Warum!« Das schrie er an gegen den Wind. »Warum, Filleböck?«
    »Ein Baum stirbt im
Stehen«, brüllte der zurück. »Ich bin nun lange genug gestanden.« Er blickte
zum Himmel, wo graue Wolken sich türmten. Er reckte den mittleren Finger nach
oben und lachte, lachte, dass es in der Schlucht hallte wie das Kampfesgebrüll
eines Drachen aus der Unterwelt. »Fragen Sie den da oben, der weiß doch alles,
der sieht alles. Der erzählt Ihnen sicher die Geschichten, die Sie hören
wollen.«
    Urplötzlich löste er
die zweite Hand und sprang. Und fiel und fiel hinein in den Nebel, der
heraufzüngelte aus dem tiefen, furchterregenden Schluchtengrund.
    Gerhard stürzte zum
Geländer und brüllte hinunter in den Orkus: » Du bist mir die Geschichte
schuldig, du , Filleböck!«
    Er starrte hinunter.
Der Hand des Stürzenden war etwas entglitten. Gerhard konnte es genau sehen,
wie es seinem Besitzer folgte. Es war ein Kamel aus Holz.
    *
    Fuizbuam
Winter 2004/2005
    Die Frage nach dem
Bass brannte so sehr auf Karls Seele, dass er Hansl immer wieder aufspürte. Er
hatte eigentlich einfach so an der Tür klingeln wollen, aber das konnte er
nicht. Er wollte versuchen, Hansl irgendwo allein zu treffen. Das war gar nicht
so einfach. Er war immer auf dem Weg zu Bekannten, in Kneipen, zu
Sportveranstaltungen. Hansl war beliebt.
    Dann kam der 21. Dezember. Kalt und nass, die Schneefallgrenze lag bei etwa elfhundert Metern.
Er war in der Morgendämmerung hinaufgestiegen zur Höfele Alp, und mit jedem
Meter wurde der Regen pappiger, bis er schließlich weiß wurde. Rein,
schneewittchenweiß. Frau-Holle-weiß, Frau Holle, die nun mit der wilden Jagd
über das Firmament jagte. Es war der 21. Dezember, plötzlich und jäh wurde er
dessen gewahr. Die Losnächte begannen, das Wetter in diesen Nächten würde sich
auf die darauf folgenden Monate auswirken. Er würde Mohn unter die Obstbäume
legen müssen für Frau Holle. Das Schicksal des Lebens entschied sich jetzt. Und
er musste mit Hansl reden. Jetzt, unbedingt jetzt. Nur jetzt konnte eine
Entscheidung fallen, ob das Licht gewinnen konnte gegen die Finsternis. Er
bezweifelte das. Eine große schwarze Krähe landete auf dem schmiedeeisernen
Kreuz, das Diepolz überblickte. Kra, kra, kra – der Tod ist nah. Tiere konnten
sprechen in diesen Tagen. Nein, die Vorzeichen standen nicht gut.
    An diesem späten
Vormittag war er noch vorsichtiger als sonst. Er hatte gespürt, dass Hansl
bemerkt hatte, dass er verfolgt wurde. Hansl, das kleine Schlitzohr, dem
entging eben nichts. Diesmal verschluckte der Waldboden Karls Schritte. Hansl
war im Eibenwald umhergestreift und saß nun auf einer kleinen Bank. Er hatte
einen Flachmann zum Mund geführt, als Karl hinter einem Baum hervortrat.
    »Gibst du mir auch
einen Schluck? Es ist kalt.«
    Hansl fuhr herum,
seine Augen waren starr auf Karl gerichtet.
    »Ja, es ist lange
her.«
    »Karl, Karl!« Es war
eher Freude in Hansls Augen zu entdecken. »Setz dich doch!« Er klopfte mit der
Hand auf den Platz neben sich.
    Karl setzte sich an
die äußerste Kante. Hansl hatte ihm den Flachmann gereicht. Karl schüttelte
ablehnend den Kopf.
    »Es ist kein Zufall,
dass du hier bist, oder?« Hansl sah ihn offen an, und dann huschte ein Ausdruck
des Erkennens über sein Gesicht. »Du hast mich verfolgt?

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