Weiss wie der Tod
Tastendruck brachte die Antwort. Kolonnen von Nutzerprofilen huschten über den Bildschirm.
«Weil wir hier scheinbar den gesamten Datenbestand von Spaceweb haben.»
«Ich wollte es zu Anfang auch nicht glauben», fügte Luansi Benguela hinzu, «bis wir die Daten mit denen auf dem Spaceweb-Server verglichen haben. Und das Verrückte ist: Diese Daten sind tagesaktuell.»
«Wie kommt die Weiße Lilie an die Datenbank?», fragte Levy.
«Zuerst habe ich gedacht», erklärte Naumov, «dass sie die Profile genauso runtergezogen haben, wie ich es getan habe – selbst für einen halbwegs fitten Informatikstudenten ist das kein Problem. Aber hier sind alle Administrationsdateien und vor allem -rechte vorhanden.»
«Das bedeutet», führte Luansi weiter, «entweder hacken sie fortlaufend den Spaceweb-Server, ohne dass es der Administrator mitbekommt …»
«… oder sie haben den Admin auf ihrer Seite», ergänzte Alexej.
«Worauf tippst du?», fragte Levy.
«Letzteres. Das kann auf Dauer niemand übersehen. Doch dazu später. Zuvor will ich euch das Filetstück des Servers zeigen – die Informationszentrale der Weißen Lilie.»
Auf dem Monitor erschienen Reihen und Spalten, fein säuberlich in alphabetischer Reihenfolge. Die Tabelle war mit der Überschrift Predators – Raubtiere – versehen.
«Voilà», sagte Naumov, «hier findet ihr jeden verurteilten und beschuldigten Gewaltverbrecher der letzten zwanzig Jahre.»
Michaelis stand auf und ging zum Monitor. Sie konnte nicht glauben, was sie da sah. «Brische, David. Den habe ich vor fünf Jahren überführt. Und da: Fetzer, Dieter. Der hat acht Jahre wegen schwerer Körperverletzung bekommen …»
«Egal wen du suchst, hier findest du ihn», sagte Benguela. «Aber das wirklich Spannende ist, welche Informationen zu den einzelnen Datensätzen vorhanden sind.»
Naumov öffnete einen. Neben dem Bild, dem Namen, dem Wohnort und allen bekannten weiteren Daten, die sie aus ihrem eigenen System kannten, tauchten Überwachungsprotokolle auf. Sie waren mit Namen des Mitarbeiters, Ort und Datum versehen. Alexej rief eines dieser Protokolle auf, es stammte von einer gewissen Sabrina.
«7.45 Uhr. K. verlässt das Haus, fährt mit dem Bus zur Arbeit. Er verhält sich unauffällig, ist freundlich und hilfsbereit. Habe mit einer seiner Kolleginnen gesprochen. Gab vor, ihn zu mögen, und täuschte Interesse an einem Kennenlernen vor. Sie riet mir davon ab. K. gilt als unberechenbar, nachtragend und sexuell unkontrolliert …»
«Das sind Stasi-Methoden», empörte sich Michaelis.
«Kann man so sehen», bestätigte Benguela. «Das geht seitenweise so weiter. Ich kenne das noch aus meiner alten Vopo-Zeit. Ein Spitzelsystem.»
«Wer ist diese Sabrina?»
«Die Frau heißt Sabrina Volkerts. Sie ist Hausfrau und Mutter von zwei Kindern, wohnhaft in Hamburg. Eine ganz normale Frau auf den ersten Blick. Doch wenn man in ihre Datei schaut» – Alexej wechselte dorthin –, «erfährt man, dass ihre Tochter Maja, heute zwölf Jahre alt, im Jahr 2002 Opfer einer Vergewaltigung wurde. Es wurde damals gegen unbekannt ermittelt. Der Täter wurde bis heute nicht gefasst.»
«Gibt es noch mehr von diesen Mitarbeitern ?»
Eine neue Tabelle erschien auf dem Monitor. «Hunderte», sagte Alexej. «Sie sind über ganz Deutschland verteilt. In einer anderen Tabelle findest du die Informanten, die im Ausland tätig sind. Sie arbeiten wie Korrespondenten eines Nachrichtenkanals. Grenzüberschreitend.»
«Was ist ihre Motivation?», fragte Levy. «Werden sie bezahlt?»
«Nicht mit Geld», antwortete Benguela. «Ein jeder dieser Informanten scheint seine eigene Erfahrung mit Gewalt und Tätern gemacht zu haben. Sie bringen ihre lokale Kompetenz ein, dafür erhalten sie von anderen Mitgliedern Hilfe und Unterstützung bei ihren Problemen. Es ist ein Netzwerk, das auf Gegenseitigkeit beruht. Von der Idee her genial.»
«Wie weit reicht das Netzwerk?»
«Sieh selbst», sagte Naumov und ließ die Namen der Mitglieder über den Bildschirm laufen.
Gebannt verfolgten Michaelis und Levy die Namensliste.
«Stopp», rief Michaelis. «Heiner Baldham. Ist das der Bürgerschaftsabgeordnete?»
Naumov öffnete die Datei. Ja, er war es. Der Sohn seines Bruders hatte bei einem Unfall mit Fahrerflucht ein Bein verloren.
Die Liste lief weiter. «George Faraday», sagte Levy.
Die Datei ging auf. «Ich kenne ihn. Er ist Forensiker in Birmingham. Was hat er in dieser Liste verloren?»
Er war
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