Weiß wie Schnee, rot wie Blut, gruen vor Neid
flüsterte: »Schlaf gut, Schneewittchen«, gab mir einen Kuss auf die Stirn und war auch schon verschwunden. Ich starrte lange auf die Tür, als könne er jeden Moment wieder auftauchen. Tat er aber nicht. Stattdessen kam JamieTim, der jedoch ebenfalls hinausgeworfen wurde. So ein Drache von Krankenschwester!
Als ich das nächste Mal erwachte, blickte ich in die besorgten Augen von… »Dad!«, schrie ich so laut, dass eine Schwester hektisch den Kopf durch den Türspalt steckte und meine Zimmergenossin (Huch? Wann war die denn gekommen?) erschrocken von ihrem Buch aufschaute.
»Meine Kleine, wie schön, dich zu sehen! Du glaubst gar nicht, welche Vorwürfe ich mir mache, dass ich dich allein gelassen habe!« Warum mussten in diesem Krankenzimmer, mich eingeschlossen, eigentlich andauernd alle weinen? Das war ja kaum auszuhalten!
»Ich bin so froh, dass du da bist«, sagte ich und schmiegte mich an seine Brust. Ich hätte ewig in dieser Position verharren können, so sicher fühlte ich mich. Doch jemand fehlte noch…
»Wo ist denn Anne?«, fragte ich und meine Augen suchten den Raum ab.
»Im Hotel«, erklärte Dad und streichelte mir über den Rücken. »Sie wollte uns erst einmal alleine lassen. Aber ich soll dich schön grüßen und ausrichten, dass sie sich sehr darauf freut, dich kennenzulernen, sobald es dir wieder besser geht!«
Ich nickte, froh über ihre Sensibilität. Ich wollte Dad wirklich gern ein bisschen für mich alleine haben.
»Magst du mir erzählen, wie das alles passieren konnte, oder fühlst du dich noch zu schwach?«
Ich fühlte mich schwach, aber das war mir momentan egal. Ich musste meinem Vater endlich erzählen, was für eine Frau er geheiratet hatte – und was sie mir in all den Jahren angetan hatte. Und vor allem in den letzten Wochen.
Also begann ich zu erzählen. Erst langsam und stockend, weil mir all die Geschehnisse immer noch so irreal vorkamen: der Anschlag des Tattoo-Mannes, Bellas Versuch, mich mit dem Seidenschal zu erwürgen, die explodierende Haarbürste und nun der vergiftete Apfel. Dad wurde blasser und blasser, je mehr ich erzählte. Er ballte seine Hände zu Fäusten, bis seine Knöchel mindestens ebenso weiß waren wie sein Gesicht. Er atmete schwer und stand ganz offensichtlich kurz vor der Explosion.
»Warum hast du mir denn die ganze Zeit nichts gesagt?«, flüsterte er schließlich. »Ich hatte ja keine Ahnung von alldem. Mein Gott, ich bin doch dein Vater. Ich hätte dich beschützen müssen!«
»Jetzt bist du ja wieder da«, war alles, was ich darauf antworten konnte.
Dad lächelte etwas gequält. »Und die Polizei weigert sich, Anzeige gegen Bella zu erstatten, weil sie angeblich ein Alibi hat?« Ich nickte. »Aber von der Giftattacke wissen die Herren noch nichts?!« Ich schüttelte den Kopf. Bislang war ich zu kraftlos gewesen, um mit der Polizei zu sprechen. Außerdem war es ja nun wirklich Sache meines Vaters, das alles zu klären.
»Na warte, die kann was erleben! Wenn ich mit der fertig bin, weiß sie nicht mehr, wo oben und unten ist!«
Hui! So wütend hatte ich ihn noch nie erlebt.
»Gleich heute Nachmittag werde ich sie mir vorknöpfen. Aber vorher werde ich ein bisschen recherchieren und mit deinen Nachbarn sprechen. Irgendjemand muss sie doch gesehen haben, als sie bei euch war.«
»Sie hat aber mindestens einmal davon eine rote Perücke getragen«, gab ich zu bedenken.
»Egal! Ich finde einen Weg, sie hinter Gitter zu bringen, verlass dich drauf! Sie ist schon viel zu lange frei herumgelaufen.«
Auf den letzten Teil des Satzes ging ich nicht mehr ein. Was auch immer die beiden miteinander am Laufen hatten, ich wollte es nicht wissen. Zumindest jetzt nicht. Ich war müde und wollte schlafen.
51
Die Frau saß zusammengesunken in ihrem Sessel. Vor wenigen Minuten war ihr Mann gegangen und hatte laut fluchend die Tür hinter sich zugeschlagen.
Obwohl sie mit aller Kraft versuchte, sich gegen das Gefühl von Niederlage und Ohnmacht zu wehren, hatte sie Angst. Angst wie schon lange nicht mehr. Da waren sie wieder: die Dämonen ihrer Vergangenheit. Sie lachten ihr hämisch ins Gesicht und schnitten grauenvolle, grausame Grimassen.
Philipp hatte sie gezwungen, nachträglich einen Ehevertrag zu unterschreiben, den er bereits dabeihatte, als er kam. Er hatte sie mit der Drohung erpresst, sie ins Gefängnis zu bringen, falls sie sich weigerte, ihn zu unterzeichnen. Außerdem hatte er verlangt, dass sie die Stadt verließ und nie wieder nach
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