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Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz

Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz

Titel: Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Graser
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antwortete. Es heizte die Schimpfkanonade noch an.
    »Erst Harry… dann Eddie… gestern der Kellner! Wer wird es morgen sein? Ich hab dich was gefragt, du elende Schlampe?!«
    Wieder ertönte das Frauengelächter. Da wurde auch schon die Tür aufgerissen, und ein durchtrainierter Kahlkopf stürmte erbost durch das Vorzimmer. Er sah nach Personenschutz aus, vielleicht auch Eingreifkommando. Die Sprechstundenhilfe duckte sich unwillkürlich und richtete sich erst wieder auf, als er draußen war.
    »Jetzt könnenS’ rein.«
    Frau Dr. März saß aufrecht hinter einem chinesischen Schreibtisch und machte sich Notizen. Sie hatte ein weißes Porzellangesicht, in dem man geneigt war nach einem Sprung zu suchen. Rote Haare, rote Lippen, tiefseeblaue Augen. Ihr Blick streifte nur kurz den Eintretenden, um sich gleich wieder ihrem Gekritzel zuzuwenden. Er räusperte sich.
    »Alles in Ordnung?«
    Sie schaute irritiert auf.
    »Ach so. Das war nur ein Psychodrama. Wir haben da was durchgespielt. Grüß Gott. Bitte setzenS’ sich doch, Herr…«
    »Kreuzeder. Grüß Gott.«
    Es war ein chinesischer Stuhl mit einer geschnitzten Lehne, die unangenehm ins Kreuz drückte. Sie schrieb emsig weiter und fragte ganz nebenbei.
    »Machen Sie gerade eine verdeckte Ermittlung im Pennermilieu?«
    »Nein. Wieso?«
    Endlich legte sie ihre Notizen beiseite und wuchtete einen dicken Aktenordner von der Ablage auf ihre grüne Lederunterlage.
    »Diesen Sammelband hier hat Kriminaloberrat Becker über Sie zusammengestellt.«
    »Na, dann habenS’ ja alles, die Fehlzeiten, die Abmahnungen, die Beschwerden…«
    »Bis auf die Leberwerte. Herr Kreuzeder, ich soll ein Gutachten über Ihre Diensttauglichkeit anfertigen. Warum trinken Sie denn so fleißig?«
    »Ach, das ist nur ein Psychodrama. Ich spiel da was durch.«
    »Was denn?«
    »Einen Kommissar vom Morddezernat.«
    »Haben Sie Schwierigkeiten mit Ihrem Vorgesetzten?«
    »Er hat Schwierigkeiten mit mir. Was haben Sie denn grad gespielt?«
    »Eine Beziehungskiste. Viele Ihrer Kollegen leiden unter Beziehungsstörungen.«
    »Sie nicht?«
    »Für mich ist das mein Beruf.«
    »Sie haben einen ganz schönen Hau.«
    »Wie bitte?«
    »Sie brauchen dringend eine Psychologin. Aber ich sag Ihnen gleich, die macht alles nur noch schlimmer.«
    »Also bitte, das sind Vorurteile gegen Psychologen, da mag was dran sein, aber man darf das auch nicht verallgemeinern.«
    »Ich mein nicht die Psychologen generell. Ich mein Sie. Sie haben einen Hau.«
    »Meinen Sie wirklich? Bitte, das mag sein, aber ich steh auch dazu. Himmel, Sie machen mich ganz konfus.«
    »Ihr Selbstbewusstsein ist praktisch null.«
    »Wirklich? Meinen Sie?«
    »Alle trampeln auf Ihnen rum. Und das geschieht Ihnen recht.«
    Das war zu viel. Frau Dr. März schnellte von ihrem Stuhl hoch und ließ ihren Zeigefinger auf den Aktenordner niedersausen. Ihre Stimme wurde eine Oktave höher.
    »In diesem Bericht steht, dass Ihre Aufklärungsquote gegen null geht. Sie waren mal ein guter Kommissar, aber das ist lange her.«
    »Richtig.«
    »Sie bestreiten das gar nicht?«
    »Nein.«
    »Aus Ihrer Akte geht klar hervor, dass Sie es darauf anlegen, Ihre Frühpensionierung durch einen Dauerrausch zu erzwingen. Und diese Inaugenscheinnahme bestätigt mir das.«
    »Finden Sie das denn verwerflich?«
    »Ob ich… Herr Kreuzeder, was ich als Privatmensch denke und fühle, tut hier nichts zur Sache. Der bayerische Staat ist jedenfalls nicht gewillt, seine Beamten dafür zu bezahlen, dass sie in Wirtshäusern herumhocken.«
    Sie sank wieder auf ihren Stuhl zurück und kritzelte etwas auf ihren Block.
    »Was ist das für ein Fall, an dem Sie im Moment arbeiten?«
    »Der Anfang einer Mordserie. Ich hab einen Bauern verhaftet, aber ich glaub nicht, dass er schuld ist.«
    »Haben Sie das öfter erlebt, dass Sie jemand verhaftet haben und dabei das Gefühl hatten, dass er nicht wirklich schuld ist?«
    »In letzter Zeit hab ich kaum noch jemand verhaftet.«
    »Haben Sie generelle Zweifel am Schuldprinzip?«
    »Sie etwa nicht?«
    Sie legte ihren Stift beiseite und lehnte sich zurück. Ein maliziöses Lächeln ließ ihre schönen blauen Augen funkeln.
    »Sie sind für einen Polizisten außergewöhnlich intelligent, Herr Kreuzeder. Wenn Sie jetzt frühpensioniert werden, hören Sie wahrscheinlich sofort auf zu saufen, erholen sich umfassend und widmen sich sinnvollen Dingen wie der Gartenarbeit. Das können wir nicht dulden.«

12
    Wie so oft war Kreuzeder der letzte

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