Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz
garantier ich.«
Sie ist also mit dem halb vollen Glas wieder zurück zur Theke gewankt. In Kreuzeder war natürlich trotz seiner Suspendierung das kriminalistische Denken noch immer lebendig, und er zog messerscharfe Schlussfolgerungen.
»Haben Sie heut was Besonderes vor?«
»Überhaupt nicht.«
»Das hab ich mir gedacht. Wo ist denn der Wirt?«
»Der ist nach Strasruda und holt die Irina.«
»Die Irina? Ist das die Neue?«
»Das ist sie. Selbige, von der Sie in Zukunft Ihr Bier kriegen.«
»Wo hat er denn die Irina her?«
»Ich glaub, von einem Taxifahrer. Wenn Sie mich fragen, dann ist die aus einem Puff. Aber mich fragt ja keiner.«
»Das muss nicht sein.«
»Doch. Die Weiber, die im Puff arbeiten, werden früher oder später nervös. Und dann wollen sie Schlagersängerin werden oder Kellnerin oder zumindest heiraten. So, jetzt wird richtig eingeschenkt.«
Sie hielt allerdings diesmal das Glas nicht schräg genug unter den Zapfhahn, sodass sich überwiegend Schaum darin bildete.
»Oha.«
»Sie haben mir mal gesagt, dass Sie die Neue anlernen sollen?«
»Ich soll ihr alles zeigen, jawohl.«
»Heut?«
»Wann denn sonst? Gestern war ein Russe bei mir. Oder war es vielleicht ein Weißrusse? Egal. Er hat einen Zettel dabeigehabt, auf dem ist mein Name gestanden und meine Adresse. Er hat mich gefragt: Gerda Bichler? Und ich hab gesagt: Ja, wieso? Sonst hab ich gar nichts gesagt. Und jetzt sind meine Möbel kaputt. Alles ist kaputt.«
Sie schüttete den Schaum in den Ausguss und probierte es erneut.
»Haben Sie eine Hausratversicherung?«
»Sie meinen, dass ich noch was krieg für die Möbel?«
»Wenn Sie versichert sind, vielleicht.«
»Nein, ich hab nichts.«
Endlich war Bier im Glas, aber unterwegs hat sie wieder einen Gutteil davon verschüttet. Diesmal hat sie es aber selber gemerkt, ist stehen geblieben und hat die Pfütze betrachtet.
»Da ist was danebengegangen.«
»Das macht nichts. Machen Sie sich darüber keine Gedanken.«
»Ich muss nachschenken.«
»Nein, um Gottes willen. Bringen Sie mir das Glas, so wie es ist.«
Sie musterte das halb volle Glas und schwankte dabei wie eine Boje. Schließlich hat sie es kurzentschlossen ausgetrunken, ihrem Gast das leere Glas hingestellt und ist auf einen Stuhl geplumpst. So stand es jedenfalls in den Gerichtsakten. Es ist natürlich möglich, dass Kommissar Kreuzeder diese detailreiche Schilderung einer vergeblichen Bierlieferung vor Gericht nicht zum Besten gegeben hat, um den Richter und die Staatsanwältin zu erheitern, sondern um sie schon mal davon zu überzeugen, dass Gerda Bichler in dieser Nacht nicht Herr ihrer selbst war. Laut Protokoll hat er dann die Strategie gewechselt, um doch noch zu seinem Bier zu kommen.
»Haben Sie was dagegen, wenn ich mir das nächste Glas selber zapf?«
»Ist mir wurscht.«
»Möchten Sie auch noch eins?«
»Gern.«
Wie er dann selbst hinter der Theke gestanden ist und Bier gezapft hat, ist der Wirt gekommen. Er hatte eine junge Frau dabei, die offensichtlich auf Speed war. Sie hat sich gehetzt umgesehen, mit ruckartigen Bewegungen, wie ein Vogel. Der vogelartige Eindruck wurde noch verstärkt durch den im Verhältnis zum Körper zu kleinen Kopf, aus dem riesige dunkle Augen erschrocken in die Welt starrten. Ansonsten bestand sie hauptsächlich aus Schenkeln, die aus einem Röckchen ragten, das man auch für einen breiten Gürtel hätte halten können. Der Wirt war angetrunken, aber nicht so, dass ihn nichts mehr verwundern hätte können.
»Was ist denn hier los?«
Die Bichler kam von ihrem Stuhl hoch.
»Nichts.«
»Wieso schwimmt da lauter Bier auf dem Boden?«
»Keine Ahnung. Das war schon.«
»Das ist die Irina. Der zeigst jetzt alles. Und dann schleichst dich. Und wenn du auch nur ein einziges Sterbenswörtchen zu meiner Frau sagst, dann geht mehr kaputt wie deine lächerlichen Möbel. Haben wir uns da verstanden?«
»Absolut. Meine Möbel waren also lächerlich?«
»So lächerlich wie du.«
Die Bichler ist wie benommen hinter die Theke gewankt, wo Kreuzeder ihr Platz gemacht hat. Sie hat eine Mass Starkbier eingeschenkt, in einen von diesen hellgrauen Steinkrügen. Dabei hat sie sich das Vögelchen, das mit dem Wirt hereingeflattert war, genau angesehen.
»Aus welchem Puff kommst du?«
Irina piepste.
»Gentlemen Club.«
»Ich zeig dir jetzt alles, was du wissen musst. Alles.«
Der Wirt dröhnte zufrieden.
»Die Mass kannst gleich mir bringen.«
»Und ob ich dir die
Weitere Kostenlose Bücher