Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
einer Hütte, so wurde sofort ein Stuhl oder ein Hocker hervorgezaubert und mir ein Becher Wasser angeboten. Alle Familienmitglieder und Nachbarn versammelten sich und schüttelten mir die Hand. Dann fragten sie höflich nach dem Grund meines Kommens. So wuchs ich rasch in die Gesellschaft dieser Menschen hinein, und ich vermisste weder Strom noch fließendes Wasser.
Obwohl die Verhältnisse so traurig waren, hatten wir jede Menge Spaß. Mit niemandem auf der Welt kann ich so herzlich und ausgiebig lachen wie mit den Menschen in Ghana. Ich weiß noch, wie ich einmal, als tropische Regengüsse auf uns niederprasselten, ohne dass es auch nur ein wenig abkühlte, meine topmoderne Regenjacke trug, während Emmanuel und ich den Pfad am See entlang zum nächstgelegenen Dorf marschierten. Mir war unsagbar heiß, doch noch mehr hasste ich es, vom Regen durchnässt zu werden.
Da wandte sich Emmanuel um und meinte mit dem für ihn so typischen Lächeln: »Betti, ist dir eigentlich klar, dass du einen kleinen Ofen anhast?«
Da sah ich ein, wie unsinnig es doch war, und zog die Jacke wieder aus. Nass war ich ohnehin, vom Schweiß, der mir unter der Jacke herunterlief. Wir lachten uns halb tot über die europäischen Hightech-Outdoor-Klamotten, die in Afrika keinen Pfifferling wert sind. Am besten, und das lernte ich damals ein für alle Mal, tut man das, was die Einheimischen dort auch tun. Und wenn es wieder anfing zu schütten wie aus Badewannen, war mein bester Schutz ein großes Bananenblatt vom nächsten Baum als Regenschirm.
Diese ersten fünf Wochen in Apewu vergingen wie im Fluge. Ich nahm Abschied und versprach, bald wiederzukommen. Ich weiß bis heute nicht, ob die Menschen wirklich glaubten, dass ich sie nicht, kaum in Deutschland angekommen, einfach vergessen würde. Aber so schnell wurden sie mich nicht los. Bereits im Mai des Jahres 2002 kam ich zurück.
Zu Beginn dieses zweiten Besuchs in Ghana sprach ich in Accra bei verschiedenen Regierungsstellen vor. Denn ich ahnte bereits, dass ich, wenn irgend möglich, in Apewu mehr tun wollte als Wunden verbinden und Tabletten verteilen. Ich wollte an die Ursachen für viele der Erkrankungen gehen. Emmanuel hatte mir von einem intelligenten Toilettensystem namens KVIP , »Kenian Ventilated Indirekt Pit«, erzählt, das in Kenia speziell für den Busch entwickelt worden war. Das Besondere ist, dass sich bei diesem System die Exkremente nach und nach selbst abbauen. Emmanuel hatte schon einige Toiletten dieser Art installiert und gute Erfahrungen damit gemacht.
Die ganze Zeit in Deutschland hatte ich darüber nachgedacht, wie ich es bewerkstelligen könnte, für Apewu eine solche Anlage zu finanzieren. Denn solange die Menschen nur eine überfüllte Grube zur Verfügung hatten, die bei starkem Regen überlief, musste man sich nicht wundern, dass Durchfallerkrankungen und andere Leiden nicht auszurotten waren. Der Leitsatz »Prävention ist besser als heilen« verdichtete sich immer mehr in mir. Dieser Grundsatz bestimmt einen Großteil unserer heutigen Arbeit.
Ich war mir dessen bewusst: Wollte ich wirklich etwas erreichen, dann musste ich zuerst die Regeln des Landes kennenlernen, die Gesetze und Bestimmungen, denn einfach nur kommen und in einem fremden Land auf fremdem Grund etwas bauen, das hielt ich damals schon für ziemlich naiv.
Denn das Land gehört immer irgendjemandem, und wenn es kein Privateigentum ist, dann gehört es der Regierung oder dem Dorf. Und mit den zuständigen Menschen muss man ins Gespräch kommen, dachte ich mir. Also ging ich zu den entsprechenden Behörden und fragte mich durch. Und das ist in Ghana auch gar nicht so schwierig. Man muss nur mit den Menschen reden, dann gibt es immer jemanden, der kennt jemanden, der wieder jemanden kennt, und am Ende ist man genau an der richtigen Stelle. Einmal platzte ich bei einem Funktionär im Gesundheitsministerium ins Büro, und der gab mir ein Buch mit den »National Treatment Guidelines«, also ein Handbuch für die Richtlinien zur nationalen Gesundheitsversorgung. »Wunderbar«, sagte ich, »danach richten wir uns jetzt.«
Und so sahen diese Beamten, dass ich sie ernst nahm und respektierte und nicht, wie viele Weiße, von vornherein immer alles besser zu wissen glaubte. Und genau das macht meine Projekte langfristig erfolgreich: Weil ich immer auf Augenhöhe mit den Einheimischen spreche und stets mit ihnen an einem Strang ziehe. Auf diese Weise erhielt ich bislang immer die Unterstützung,
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