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Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Titel: Weiße Nana / Mein Leben für Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Landgrafe
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komplexes Projekt wie das der Befreiung der Fischerkinder. Dafür brauchen sie Erfahrung, Fingerspitzengefühl, Geduld, natürliche Autorität und eine Menge anderer Eigenschaften mehr.
    Sie sind meine Familie, meine Brüder und Freunde, meine Verbündeten im Kampf gegen die Armut und die zahlreichen Missstände im Land. Ihnen vertraue ich nicht nur immer wieder große Summen der Spendengelder an, damit sie davon in meinem Auftrag Baumaterial kaufen können – die beiden sind übrigens die einzigen Menschen, denen ich Madamfo-Ghana-Geld anvertraue –, sondern auch mein Leben. Ich weiß ganz genau: Fahre ich mit Emmanuel und Victor durch den abgelegensten Busch, schlafe in den verlassensten Gegenden in einfachen Behausungen – mit Victor und Emmanuel an meiner Seite bin ich sicher wie ein Kind im Schoß seiner Mutter. Egal, wo unsere Projekte uns hinführen, bei ihnen fühle ich mich zu Hause. Wir haben so viele unglaubliche Geschichten gemeinsam erlebt, dass wir einander besser kennen als die meisten echten Geschwister.
    Ich erinnere mich gut an eine Begebenheit, die Victor und mich einander sehr nahe gebracht hat. Es war in seinem Heimatdorf Brodi, als es einmal entsetzlich zu regnen begann. Meine beiden Begleiter wollten eigentlich in der Hütte von Victors Vater übernachten, und Emma war dort auch heil angelangt. Doch nachdem Victor mich zu meinem Übernachtungsplatz gebracht hatte, wurde der Regen so stark, dass er nicht mehr wegkam. Also schnappten wir uns zwei Stühle und setzten uns unter mein Vordach. Stundenlang, solange der Wolkenbruch währte, redeten wir über Gott und die Welt. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich viele Dinge, die ich nicht gewusst hatte. So hat Victor zum Beispiel einige Freunde, die es als die uns bekannten Bootsflüchtlinge nach Europa geschafft haben. Ich fand es ungeheuer spannend, eine solche Geschichte endlich einmal aus der Sicht eines Afrikaners und noch dazu aus der meines »Bruders« zu hören. Und als ich schließlich die Augen nicht mehr aufhalten konnte, da meinte er, ich solle ruhig schlafen gehen, er würde hier sitzen bleiben und aufpassen. Nicht dass das nötig gewesen wäre, aber bei diesem starken Regen wollte er das einfach tun. Frühmorgens, noch vor der Dämmerung, musste ich dringend auf die Toilette, und als ich meine Hüttentür öffnete, lag da Victor zu meiner großen Überraschung auf einer geborgten Matratze, die er auf den blanken Boden gelegt hatte, vor meiner Tür. Er wachte auf.
    »Sag mal«, fragte ich ihn verblüfft, »hast du tatsächlich die ganze Nacht da gelegen?«
    »Aber sicher«, meinte er schlaftrunken. »Vielleicht hättest du ja etwas gebraucht während der Nacht. Ich dachte, es ist besser, ich bleibe mal in deiner Nähe.«
    Und so hatte er vor meiner Tür geschlafen und auf mich aufgepasst. Mich durchströmte eine Gefühl der Wärme und Zuneigung. Ich habe ja keinen leiblichen Bruder, aber so muss es sich anfühlen, wenn man seinen kleinen Bruder schrecklich liebhat.
     
    Das heimatliche Gefühl hatte ich in Ghana von Anfang an. Wäre es möglich gewesen – ich wäre spätestens bei meinem zweiten Besuch in Apewu dort geblieben. Dafür gibt es so viele Gründe. Zum einen finde ich es unheimlich schön da. Die Lage des Dorfes am See ist ein einziger Traum. Wenn es einmal besonders heiß ist, dann verbringen wir den Tag einfach im Wasser, bis unsere Haut schrumpelig wird und zwischen unseren Zehen fast Schwimmflossen zu wachsen beginnen. Wir legen uns bäuchlings auf die schmalen, nur aus einem zugeschnittenen Brett bestehenden Boote der Einheimischen und paddeln hinaus. Dann springen wir ins Wasser, werfen uns gegenseitig von den Booten, lassen die Kinder auf unsere Schultern klettern und spielen Wasserball. Oder ich lege mich als Krokodil ganz flach ins Wasser und tue so, als schnappe ich nach den Kindern, wovon die Kleinen nie genug bekommen konnten. Irgendwann hängen sie alle an mir, und ich ziehe sie durch den See.
    [Bild vergrößern]
    5. Mit allen Kindern geht es abends zum Baden an den See
    So können wir es Stunden in dem weichen Wasser des Bosomtwisees, einem von nur drei Seen in Afrika, der aufgrund seines pH -Wertes frei von Bilharziose ist, aushalten. Das Wasser ist ein bisschen wie Seifenlauge, und wenn ich mir meine Haare darin wasche, werden sie weich wie Seide. Ich glaube, die Kinder sind niemals so sauber wie dann, wenn ich im Dorf bin, weil sie alle leidenschaftlich gerne mit mir in den See springen.
    Emmanuel hat uns

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