Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)
Risse und grinse. » Ich nehme alles zurück. Sam, du bist wirklich ein Genie. «
Ich bin nicht gut in Freundschaften. Ich bin zwar in der Lage, mich nützlich zu machen und anzupassen, damit ich auf Partys eingeladen werde und mich in der Cafeteria an jeden Tisch dazusetzen kann.
Aber jemandem zu vertrauen, der sich durch mich keinen Vorteil verschaffen kann, hat keinen Sinn.
Freundschaften haben immer mit Macht zu tun.
Philip und sein bester Freund Anton sind ein gutes Beispiel. Anton ist Lilas Cousin. Jeden Sommer kam er mit ihr nach Carney. Philip und Anton verbrachten drei heiße Monate damit, sich mit Alkohol volllaufen zu lassen und an ihren Autos zu werkeln.
Antons Mutter ist Zacharovs Schwester Eva, das macht ihn zu Zacharovs nächstem lebenden männlichen Verwandten. Anton machte Philip klar, dass er für Anton arbeiten müsste, wenn er bei der Familie etwas werden wollte. Ihre Freundschaft beruht bis heute darauf, dass Anton das Sagen hat und Philip ihm in allem folgt.
Anton mochte mich nicht, weil ich seinen Status trotz meiner Freundschaft mit Lila nicht automatisch anerkannte.
In dem Sommer, als wir dreizehn waren, kam er einmal in die Küche von Lilas Großmutter. Lila und ich balgten uns um irgendeinen Blödsinn, krachten in die Schränke und lachten uns kaputt. Er packte mich und schlug mich zu Boden.
» Entschuldige dich, du kleiner Perversling « , sagte er.
Er hatte recht, das ganze Geschubse und Geschiebe war vor allem eine Ausrede, um Lila berühren zu können, aber das hätte ich nie zugegeben. Lieber ließ ich mich verprügeln.
» Aufhören! « , schrie Lila Anton an und riss an seinen behandschuhten Händen.
» Dein Vater hat mich hergeschickt, damit ich ein Auge auf dich habe « , sagte er. » Er hätte bestimmt was dagegen, dass du die ganze Zeit mit diesem Freak zusammen bist. Er ist nicht mal einer von uns. «
» Du hast mir gar nichts zu sagen « , widersprach Lila. » Nie und nimmer. «
Er sah auf mich hinunter. » Aber dir hab ich was zu sagen, Cassel, oder? Auf die Knie mit dir. Wie es sich in Gegenwart einer Prinzessin gehört. «
» Hör nicht auf ihn « , sagte Lila steif. » Steh auf. «
Ich wollte aufstehen, aber er trat mir in die Schulter und ich fiel auf die Knie zurück.
» Hör auf! « , schrie sie.
» Gut « , sagte er. » Warum küsst du ihr nicht die Füße? Das willst du doch sowieso. «
» Ich habe gesagt, du sollst ihn in Ruhe lassen, Anton « , sagte Lila. » Wieso bist du bloß so ein Arsch? «
» Küss ihr die Füße « , sagte er, » dann darfst du aufstehen. « Er war neunzehn und ein Riese. Mir tat die Schulter weh und meine Wangen brannten ohnehin schon. Ich beugte mich vor und drückte den Mund auf Lilas Fußrücken in der Sandale. Wir waren vorher schwimmen gewesen und ihre Haut schmeckte nach Salz.
Sie zog ruckartig ihr Bein weg. Anton lachte.
» Du glaubst, du hättest schon das Sagen « , sagte sie mit bebender Stimme. » Du glaubst, Dad macht dich zum Erben, aber ich bin seine Tochter. Ich allein. Ich bin seine Erbin. Und wenn ich erst mal an der Spitze des Zacharov-Clans stehe, werde ich an diesen Tag denken. «
Ich stand langsam auf und ging zurück in Großvaters Haus.
Danach redete sie wochenlang nicht mehr mit mir, vermutlich, weil ich getan hatte, was Anton wollte, und nicht, was sie mir sagte. Philip dagegen machte weiter, als wäre nichts passiert. Als wüsste er schon, was ihm wichtiger war. Als hätte er sich bereits für die Macht und gegen mich entschieden.
Ich kann nicht darauf vertrauen, dass die Menschen, die mir wichtig sind, mich nicht verletzen. Und ich bin mir umgekehrt auch nicht sicher, ob ich mir vertrauen könnte.
Freundschaften sind Scheiße.
Auf dem Weg zum Wagen schaue ich auf meine Handyuhr. Ich sollte lieber nach Hause fahren, wenn ich nicht möchte, dass Großvater sich aufregt. Aber eine Sache muss ich noch erledigen. Ich rufe Maura an; sie ist das letzte Rädchen in meinem Plan: Jemand muss an das Prepaid-Handy gehen, wenn es klingelt.
» Hallo? « , sagt sie leise. Im Hintergrund schreit das Baby.
» Hey « , sage ich und atme tief aus. Ich hatte befürchtet, dass Philip drangeht. » Ich bin’s, Cassel. Störe ich? «
» Ich kratze nur gerade ein paar Pfirsiche von der Wand. Wenn du deinen Bruder suchst, er ist–«
» Nein « , sage ich, vielleicht ein wenig zu schnell. » Ich wollte dich um einen großen Gefallen bitten. «
» Okay « , sagt sie.
» Du musst nur an ein Handy gehen, das ich
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