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Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Titel: Weißer Fluch: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Black
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dass Philip für Anton eher kleinere Gaunereien erledigt. So was wie Beine brechen.
    Lila sieht mich stirnrunzelnd an und lässt den Blick durch den Zug schweifen, aber auch nach diesem Ausbruch beachtet uns kein Mensch. Sie dagegen wird jetzt ganz leise und flüstert praktisch, als könnte sie meinen Ausrutscher dadurch wiedergutmachen. » Sie bringen niemanden um. Das überlassen sie ihrem kleinen Bruder. Er verwandelt die Menschen in Gegenstände. Die werfen sie dann weg. «
    » Was? « Ich habe mich wohl verhört.
    » Sie haben dich zum Beseitigen von menschlichem Müll benutzt. « Mit den Händen deutet sie einen Bilderrahmen an und schaut mich dadurch an. » Porträt eines jugendlichen Mörders. «
    Ich stehe auf, obwohl wir im Zug sitzen und ich nirgends hingehen kann.
    » Cassel? « Sie streckt die Hand nach mir aus, aber ich weiche einen Schritt zurück.
    Es rauscht in meinen Ohren und dafür bin ich dankbar. Ich glaube, mehr kann ich mir nicht anhören.
    » Es tut mir leid. Aber du musst doch einen Verdacht– «
    Ich glaube, ich muss kotzen.
    Ich dränge mich durch die schweren Türen auf das Verbindungsstück zwischen zwei Waggons. Die Kupplung schwenkt unter meinen Füßen hin und her. Ich befinde mich direkt über den Haken und Ketten, die den Zug in seiner schlangenartigen Form halten. Kalte Luft weht mir die Haare aus der Stirn, dann bläst die Maschine mir heiße Luft ins Gesicht.
    Ich bleibe stehen und halte mich an dem rutschigen Metall fest, bis ich mich einigermaßen beruhigt habe.
    Ich glaube, jetzt verstehe ich, warum man die Fluchwerker zusammengetrieben und erschossen hat. Diese Art Angst kann ich nun besser verstehen.
    Im Großen und Ganzen sind wir diejenigen, an die wir uns selbst erinnern. Darum ist es so schwer, alte Gewohnheiten abzulegen. Wenn wir uns als Lügner kennen, erwarten wir, dass wir nicht die Wahrheit sagen. Wenn wir uns als aufrichtige Menschen wahrnehmen, geben wir uns mehr Mühe.
    Drei Tage lang war ich kein Mörder. Lila war von den Toten auferstanden und hatte mir den Selbsthass genommen. Doch jetzt schwankt ein Stapel Leichen über meinem Kopf. Er droht abzustürzen und mich mit Schuld zu ersticken.
    Mein ganzes Leben lang habe ich mich danach gesehnt, dass meine Brüder mir vertrauen. Die ganze Zeit wünschte ich mir, sie würden mich in ihre Geheimnisse einweihen. Sie, vor allem Philip, sollten mich als fähigen Komplizen anerkennen.
    Instinktiv versuchte ich, sie sogar noch zu retten, nachdem sie mich krankenhausreif geschlagen hatten.
    Jetzt denke ich nur noch an Rache.
    Schließlich bin ich schon ein Mörder. Niemand erwartet ernsthaft von einem Mörder, dass er mit dem Töten aufhört. Ich klammere mich an das Eisengeländer des Zugs und drücke zu, als wäre es Philips Kehle. Ich will kein Ungeheuer sein, aber vielleicht ist es für alles andere längst zu spät.
    Die Tür schwingt auf, der Schaffner betritt das Verbindungsstück und geht an mir vorbei. » Hier dürfen Sie nicht stehen « , sagt er mit einem Blick über die Schulter.
    » Ist gut « , sage ich, und er öffnet die Tür des nächsten Waggons, um auch dort die Fahrkarten zu kontrollieren. Er meint es nicht sonderlich ernst. Wahrscheinlich könnte ich hier stehen bleiben, bis er auf dem Rückweg wieder vorbeikommt.
    Ich hole noch ein paar Mal tief Luft und gehe dann zurück zu Lila.
    » Ganz schön theatralisch « , meint sie, als ich mich wieder setze. » Wie du da rausgestürmt bist und so. « An den Rändern haben ihre Augen dunkle Schatten. Sie hat irgendwo einen Kuli gefunden und kritzelt ihr Bein unterhalb des Knies voll.
    Ich fühle mich schrecklich, aber ich entschuldige mich nicht.
    » Tja « , sage ich, » so bin ich, der Drama-King, total neurotisch. «
    Das bringt sie zum Lächeln, aber es vergeht ihr gleich wieder. » Ich habe dich gehasst, wie du da in deinem bequemen Bett in der Schule lagst und dir gerade mal Sorgen um Mädchen und Noten gemacht hast. Was du mir angetan hast, war dir ganz egal. «
    Ich beiße die Zähne zusammen. » Du hast in meinem Bett geschlafen. Findest du es wirklich so bequem? «
    Sie lacht, aber es klingt mehr nach einem Schluchzer.
    Ich sehe aus dem Fenster. Wir fahren durch einen Wald. » Das hätte ich nicht sagen sollen. Du hast in einem Käfig geschlafen. Ich bin kein guter Mensch, Lila. « Ich mache eine Pause. » Aber es war mir nie– ist mir bis heute nicht egal, was ich dir angetan habe. Ich habe jeden Tag an dich gedacht. Und es tut mir leid. Es tut

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