Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)
wehtut.
» Geht runter ins Kasino « , sagt Zacharov zu seinen Männern. » Und gewinnt gefälligst. «
» Aber sicher « , sagt der eine. Er nimmt seinen Mantel und geht mit dem anderen langsam zur Tür. Zacharov sieht mich an, als sollte ich sie begleiten.
» Cassel « , sagt er. » Seit wann wusstest du, wo meine Tochter ist? «
» Seit drei Tagen « , erwidere ich.
Lila kneift die Augen zusammen, aber ich wüsste nicht, warum ich ihm das verheimlichen soll.
Er gießt sich noch einen Drink ein. » Und warum hast du mich nicht eher angerufen? «
» Lila ist wie vom Himmel gefallen « , sage ich, was im Grunde auch stimmt. » Ich dachte, sie wäre tot. Seit wir vierzehn waren, habe ich sie nicht mehr gesehen. Was den Anruf angeht, wollte ich ihr nicht vorgreifen. «
Zacharov trinkt einen Schluck und zuckt zusammen. » Lila, erzählst du mir, wo du warst? «
Sie zuckt mit den schmalen Schultern und meidet seinen Blick.
» Du schützt jemanden. Deine Mutter? Ich hatte immer schon den Verdacht, dass sie dich mir weggenommen hat. Sag mir, dass du genug von der alten– «
» Nein! « , ruft Lila.
Er hängt immer noch seinen Gedanken nach. » Sie hat mich förmlich beschuldigt, dich ermordet zu haben. Sie hat dem FBI erzählt, ich hätte gesagt, tot ginge es dir besser als bei ihr. Dem FBI ! «
» Ich war nicht bei Mom, Dad « , sagt Lila. » Sie hat nichts damit zu tun. «
Er hält inne und starrt sie an. » Wer denn dann? Hat jemand… « Er beendet seinen Satz nicht und dreht sich zu mir um. » Warst du es? Hast du meiner Tochter was getan? «
Ich zögere.
» Er hat mir gar nichts getan « , sagt Lila.
Zacharov legt mir eine behandschuhte Hand auf die Schulter. » Bald steht der Berufungsprozess deiner Mutter an, nicht wahr, Cassel? «
» Ja, Sir « , sage ich.
» Ich würde es wirklich sehr bedauern, wenn es zu Komplikationen käme. Falls ich herausfinde– «
» Lass ihn in Ruhe « , sagt Lila. » Hör zu, Dad. Nur eine Minute. Ich bin noch nicht so weit, dass ich darüber reden kann, was passiert ist. Hör auf, es jemandem in die Schuhe schieben zu wollen. Lass das Verhör. Ich bin wieder zu Hause. Freust du dich nicht, dass ich wieder da bin? «
» Natürlich freue ich mich « , sagt er, offensichtlich getroffen.
Unwillkürlich berühre ich meine wunden Rippen. Leider weiß ich nicht, wo der Typ das Aspirin verstaut hat– ich hätte gerne noch mehr.
» Ich vertraue dir um ihretwillen « , sagt Zacharov zu mir. Dann wird er sanfter. » Ich muss mit meiner Tochter reden. Unter vier Augen– das verstehst du doch, oder? «
Ich nicke. Lila schaut auf das dunkle Meer. Sie dreht sich nicht um.
Zacharov holt seine Brieftasche heraus und zählt fünfhundert Dollar ab. » Nimm « , sagt er.
» Ich möchte es nicht « , antworte ich.
» Es würde mir besser gehen, wenn du es einsteckst « , sagt er.
Ich stehe auf und bemühe mich, dabei nicht zusammenzuzucken. Dann schüttele ich den Kopf. » Ich hoffe, Sie sind nicht allzu scharf darauf, sich besser zu fühlen. «
Er schnaubt. » Einer der Jungs soll dich nach Hause bringen. «
» Ich darf gehen? Wirklich? «
» Mach dir nichts vor. Ich kann dich jederzeit einsammeln, wie einen Dollar von der Straße. «
Ich möchte Lila noch etwas sagen, aber sie wendet mir immer noch den Rücken zu. Ihre Gedanken kann ich nicht lesen.
» Am Mittwoch gebe ich eine kleine Party in einem Restaurant namens Koshchey’s. Eine Benefizveranstaltung. Komm doch auch « , sagt Zacharov. » Weißt du, warum es mir im Koshchey’s so gut gefällt? «
Ich schüttele den Kopf.
» Weißt du, wer Koshchey, der Unsterbliche ist? «
» Nein. « Mir fallen die seltsamen Deckengemälde wieder ein.
» Im russischen Volkstum ist Koshchey ein Zauberer, der sich in einen Wirbelwind verwandeln und seine Feinde vernichten kann. « Zacharov berührt die funkelnde Krawattennadel auf seiner Brust. » Er versteckt seine Seelein einem Entenei, um dem Tod ein Schnippchen zuschlagen. Komm mir nicht in die Quere, Cassel. Es würde dir schlecht bekommen, mich zum Feind zu haben. «
» Verstehe « , sage ich und öffne die Tür. Vor allem verstehe ich, dass Lila und ich auf uns allein gestellt sind und nicht mal einen Plan haben.
» Noch was, Cassel. «
Ich drehe mich um.
» Danke, dass du mir meine Tochter zurückgebracht hast. «
Ich gehe. Als ich auf den Aufzug warte, klingelt mein Handy. Ich bin so erschöpft, dass es mir schwerfällt, es aus der Tasche zu holen.
» Hallo?
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