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Weißer Mann mit Brille

Weißer Mann mit Brille

Titel: Weißer Mann mit Brille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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widersprechen … Aber trotzdem ist er ein braver Mann!«
    Die Vorstellung, daß dort in seinem Zimmer diese Frau und Captain Philps … Das ging ihm entschieden gegen den Strich. Trotzdem brummte er:
    »Hast du ihnen nicht gesagt, daß ich etwas von Medizin verstehe?«
    »Ich hab mich nicht getraut …«
    Graux hatte sich ein wenig mit Medizin befaßt, vor allem aber kümmerte er sich seit sechs Jahren persönlich um die medizinische Betreuung seiner Arbeiter und ihrer Frauen. Er überwachte schwere Geburten, und als ein Krokodil einem Schwarzen den Arm ausgerissen hatte, war ihm eine Amputation geglückt.
    »Sag mal … Ist unser alter Popotam noch da?«
    Er ließ seine Augen flußaufwärts schweifen. In diesen Gewässern hauste seit drei Jahren ein Nilpferd, und alle hatten sich so daran gewöhnt, daß man es gewissermaßen als Haustier betrachtete. Es war eher verspielt als bösartig. Sein Hauptvergnügen bestand darin, mit seiner Schnauze eine Piroge zum Kentern zu bringen und sich am Anblick der Schwarzen zu weiden, die im Wasser herumplanschten.
    »Morgen bekommen Sie es sicher zu sehen. Um diese Zeit schläft es wahrscheinlich …«
    Sei’s drum! Er würde es doch tun! Mit langen Schritten eilte er zum Bungalow, klopfte energisch an die Tür zu seinem Zimmer. Captain Philps öffnete sie einen Spalt breit.
    »Ich habe mit Ihnen zu reden.«
    Wenn er einmal einen Entschluß gefaßt hatte, war er überaus kurzangebunden, da er so lange brauchte, um sich dazu durchzuringen. Der Captain folgte ihm auf die Barza.
    »Es betrifft Lady Makinson. Aus dem, was sie mir vorhin gesagt hat, entnehme ich, daß sie den Arzt erwartet. Zum ersten ist es unwahrscheinlich, daß er kommt, denn er ist fast nie zu erreichen, zum zweiten sollte sie ihm nicht allzu großes Vertrauen entgegenbringen …«
    Sogleich ärgerte er sich über das Wort »entgegenbringen«, seine gewählte Redeweise.
    »Ist er denn kein guter Arzt?«
    »Früher vielleicht schon … Aber jetzt hat er sich ganz auf die Neger eingestellt … Dann das Bier … Ich habe natürlich kein Diplom … Aber hier kommt es häufig zu Unfällen, und wenn Lady Makinson Vertrauen zu mir hat …«
    »Gestatten Sie, daß ich einen Moment …«
    Wie der Kämmerer eines Monarchen verschwand Philps im Zimmer, wo fast eine Viertelstunde lang geflüstert wurde. Die Lampen brannten, denn es war schon sechs Uhr. Baligi begann in der Küche zu wirtschaften, in der Hoffnung, die Aufmerksamkeit ihres Herrn auf sich zu lenken.
    Ferdinand verfluchte seine Unrast, bedauerte sein Anerbieten. In seinem eigenen Haus ließ man ihn antichambrieren! Um seiner Ungeduld Herr zu werden, befahl er Camille, der nachgekommen war:
    »Hol schon mal alles Nötige aus der Krankenstation … Bring auch zwei Ampullen Novocain mit …«
    Natürlich hatten sie Bedenken! Sie trauten ihm nicht so recht. Doch endlich öffnete sich die Tür.
    »Kommen Sie doch bitte für einen Augenblick herein!«
    Lady Makinson rauchte immer noch. Da sie, den Rücken mittels zweier Kopfkissen abgestützt, aufrecht im Bett saß, sah Graux, daß sie einen hauchdünnen, seidenen Schlafanzug trug, durch den ein zartgliedriger Körper und spitze Jungmädchenbrüste hindurchschimmerten.
    »Lassen Sie uns allein, Buddy …«
    Sie wartete, bis der Captain sich entfernt hatte, dann blickte sie Graux lange an. Ihre Augen waren dabei halbgeschlossen, da ihr der Zigarettenrauch ins Gesicht stieg. Schließlich sagte sie:
    »Drehen Sie sich einen Augenblick um …«
    Er vernahm das Rascheln des Lakens, das Knistern der Seide, als sie die Schlafanzughose abstreifte.
    »Ich werde gleich sehen, ob ich Ihnen vertrauen kann … Kommen Sie her …«
    Sie rauchte immer noch. Das Laken bedeckte ihre Lenden, ließ ihre langen, schlanken Beine frei. Eines war mit einem Verband umwickelt.
    »Machen Sie nur … Nein, warten Sie … Geben Sie mir eine Zigarette …«
    Fahrig zog sie an der Zigarette, während er den Verband abnahm. Er erklärte ihr:
    »Ich habe aus der Krankenstation Novocain holen lassen … Ich kann Sie örtlich betäuben …«
    Sie sagte mit rauher Stimme:
    »Nun, so machen Sie schon …«
    Er rief durch die halbgeöffnete Tür nach heißem Wasser.
    »Der Captain könnte mir zur Hand gehen …«
    »Nein!« fuhr sie dazwischen, ohne sich auf weitere Erklärungen einzulassen.
    »Also gut!«
    Immer hastiger zog sie an ihrer Zigarette. Von Zeit zu Zeit ächzte sie vor Schmerzen.
    »Tu ich Ihnen weh?«
    »Nein!«
    Sie war sehr schlank und

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