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Weißer Mann mit Brille

Weißer Mann mit Brille

Titel: Weißer Mann mit Brille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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um mit einem von ihnen im Auto zurückzufahren …«
    Um halb sieben ertönte ein Glockenzeichen, auf das hin sich die Schwarzen vor den Gebäuden beim Fluß versammelten. Camille hielt einen Appell ab wie in der Kaserne, während Ferdinand in einiger Entfernung wartete.
    Erst als der Moment gekommen war, um die Arbeiter auf die einzelnen Baustellen zu verteilen, trat er zu ihnen.
    »Setze alle auf das Flugzeug an, damit wir die Sache schnell hinter uns bringen …«
    Mit besorgter Miene machte er sich auf den Weg, um die Maschine zu inspizieren, deren Nase in der roten Erde steckte. Mit einem Spaten schaufelte er den Propeller frei und sah, daß er zerbrochen war. Er entfernte sich achselzuckend, nachdem er einen Blick ins Innere geworfen hatte: Mit ihren zartgrünen Lederpolstern war die Kabine so komfortabel wie eine Luxuslimousine!
    Als er ins Haus zurückkehrte, trat Captain Philps zu ihm, auch an diesem Morgen wie aus dem Ei gepellt.
    »Es ist mir wirklich peinlich, daß Sie meinetwegen auf einem unbequemen Feldbett nächtigen müssen«, fing der Captain an, ohne den richtigen Ton zu treffen.
    »Sagen Sie mal, wo ist dieses Flugzeug eigentlich gebaut worden?«
    »In der Nähe von London. Es gibt nur noch zwei Maschinen vom selben Typ. Die erste gehört Amy Mollison, die den neuen Rekordflug von London nach Kapstadt gemacht hat …«
    »Haben Sie einen Ersatzpropeller?«
    »Nein, natürlich nicht!«
    »Wenn das so ist, dann möchte ich wirklich mal wissen, wie Sie hier wegkommen wollen!«
    Er war unwillkürlich in einen aggressiven, ja groben Ton verfallen.
    »Ist der Propeller wirklich zerbrochen?«
    »Verdammt noch mal! In diesen zwei Tagen ist es Ihnen nicht einmal in den Sinn gekommen, sich Ihre Maschine anzuschauen?«
    Captain Philps war völlig verschüchtert. Auf einen Schlag war seine Selbstsicherheit von ihm abgefallen, und hinter seiner eleganten Lässigkeit kam ein schwacher, sehr junger Mensch zum Vorschein, der noch errötete …
    »Ich habe Lady Makinson Gesellschaft geleistet«, murmelte er.
    »Ich wollte Ihnen eben sagen, daß sie nach Ihnen verlangt … Daß es ihr eine Freude wäre, wenn Sie …«
    Ohne zu antworten, ging Ferdinand zur Tür, klopfte kurz an, trat ins Zimmer.
    »Guten Morgen, Monsieur Graux. Ich bin untröstlich über die Störung, die wir Ihnen hier verursachen …«
    War das eine Anspielung auf das eingeschaltete Licht? Graux blickte keineswegs liebenswürdig drein. Unverwandt blickte er die junge Frau an, die aufrecht im Bett saß, auf dem sich noch ein Tablett mit den Überresten ihres Frühstücks befand. Sie hatte sich bereits eine Zigarette angezündet.
    »Nehmen Sie doch bitte Platz.«
    »Ich habe sehr wenig Zeit!« erwiderte er. »Vor allem möchte ich Ihre weiteren Pläne wissen …«
    Mit geradezu verbohrtem Gesichtsausdruck blieb er vor ihr stehen. Sie sah ihn überrascht an.
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Ich nehme an, es ist Ihnen bekannt, daß die Maschine fluguntüchtig ist. Der Propeller ist zerbrochen …«
    »Sind Sie sicher?«
    Sie sah ein, daß ihre Frage töricht war, und lächelte. Dann fügte sie mit einem eigentümlichen Ausdruck in den Augen hinzu:
    »Dann muß ich wohl nach London telegrafieren, um einen anderen zu bestellen.«
    Sie machte sich über ihn lustig, das spürte er genau. Sie hatte gleich herausgefunden, daß er den grimmigen Mann spielen wollte, und es machte ihr Spaß, ihn noch weiter anzustacheln.
    »… wenn sie überhaupt einen Propeller vorrätig haben … Also … der Transport mit der Imperial Airways dauert eine Woche … Übrigens haben Sie mich gar nicht gefragt, ob ich heute nacht Schmerzen hatte …«
    Es gab für ihn jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder streckte er die Waffen, das heißt, er benahm sich wieder natürlich, oder aber er versteifte sich auf seine Übellaunigkeit. Er entschied sich für das letztere, als er überaus barsch entgegnete:
    »Captain Philps hat mich bereits informiert.«
    Die junge Frau schoß einen harten Blick zu ihm hinüber. Sie suchte nach Worten.
    »Wollen Sie sich denn wirklich nicht setzen?« sagte sie schließlich.
    Das Hupen eines Autos befreite ihn aus dieser peinlichen Situation, er stürzte hinaus und erkannte den Wagen des Administrators von Niangara, der an der Vortreppe stand. Am Steuer saß ein Eingeborener im schwarz-gelb gestreiften Trikot, also ein Gefängnisinsasse. Der junge Mann in Weiß, der mit schmerzhaft verkrümmtem Rücken dem Wagen entstieg, war kein anderer als

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