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Weißer Mann mit Brille

Weißer Mann mit Brille

Titel: Weißer Mann mit Brille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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von der Sonne gebräunt.
    Er sah ihre wohlgeformten Muskeln, die sich unter der Haut abzeichneten.
    »Einen kleinen Augenblick lang muß ich Ihnen wehtun …«
    »Seien Sie doch endlich still!« rief sie gereizt.
    Bis zum Ende hatte sie sich in der Gewalt. Da der Gipsverband, den er ihr anlegte, bis zur Mitte des Oberschenkels reichte, mußte er notgedrungen das Laken hochheben. Da entfuhr es ihm unpassenderweise:
    »Pardon …«
    Er errötete. Er wußte weder aus noch ein. Jetzt wollte er die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen. Während er sich abmühte, sagte sie:
    »Wann wird Ihrer Meinung nach das Flugzeug hier sein?«
    »Ich werde zwei Elefanten darauf ansetzen … Spätestens in drei Tagen …«
    »Sehen Sie zu, daß es nicht zu lange dauert!«
    Sollte das nicht ein Wink sein, daß sie möglichst bald von hier wegwollte? Er richtete sich auf. Sie verlangte nach einem Spiegel und ordnete ihr rotblondes Haar.
    »Geben Sie mir doch bitte den Kamm … Danke … Warten Sie … Rufen Sie jetzt den Captain herein …«
    Dieser trat ans Bett, sah sie fragend an, worauf sie sagte:
    »Er hat es sehr korrekt gemacht.«
    Linkisch sammelte Ferdinand seine Utensilien auf, Verbandsfetzen, die Spritze, die aufgeschlagene Ampulle, den Wassertopf.
    »Was wünschen Sie heute abend zu speisen? …«
    »Danke! Buddy wird es mit Ihnen besprechen.«
    Jetzt mußte er notgedrungen gehen. Von hinten machte er wohl eine so klägliche Figur, daß Lady Makinson, als er eben über die Schwelle trat, ihm nachrief:
    »Und nochmals vielen Dank! Sie haben Ihre Sache sehr gut gemacht …«
     
    »Sie weint …«, sagte Camille mit halblauter Stimme, in der ein versteckter Vorwurf mitschwang.
    »Laß sie doch weinen!«
    Die beiden Männer saßen in der Diele beim Abendessen. Ihre Einrichtung gemahnte an die eines Jagdhauses. Eben war Philps durch den Raum geschritten, ein Tablett in Händen, auf dem er eine Büchse Huhn in Gelee und eine Flasche Bordeaux balancierte.
    Die Engländer, wie Camille sich ausdrückte, aßen in ihrem Zimmer, dessen Tür auf beinahe beleidigende Art nur einen Spalt breit geöffnet und sogleich darauf wieder geschlossen wurde.
    »Guten Appetit!« hatte der Captain ihnen immerhin im Vorbeigehen zugerufen.
    Graux und Camille aßen Suppe, wie jeden Abend. Dann gab es einen Fisch, den man am Nachmittag aus dem Netz geholt hatte.
    Doch Baligi war nach der Suppe nicht hereingekommen, um abzuräumen und den Fisch aufzutragen. Camille begab sich in die Küche.
    »Sie weint …«, berichtete er. »Sie will nicht kommen …«
    »Laß sie doch weinen!«
    Er hatte die Ellbogen auf den Tisch gestützt, was sonst gar nicht seine Art war. Als Baligi die Suppe servierte, hatte er ihr nur kurz guten Tag gesagt.
    Von Zeit zu Zeit vernahm man unterdrücktes Schluchzen, und Camille wollte ihm einen mißbilligenden Blick zuwerfen, brachte es jedoch nicht über sich.
    »Es ist halt nicht korrekt«, sagte Ferdinand schließlich, als spräche er mit sich selbst.
    »Was ist nicht korrekt?«
    »Sie sind eben Engländer … Sie denken anders darüber als wir …«
    »Worüber denn?«
    »Über Baligi … Versuch es ihr zu erklären … Sie sind nur noch zwei oder drei Tage hier …«
    Er konnte sich nicht einmal dazu aufraffen, in die Küche zu gehen, um der kleinen Schwarzen die Situation klarzumachen. Das würde Camille für ihn tun. Er konnte sie doch nicht heute nacht in die Diele kommen lassen!
    »Nehmen es die Engländer denn so genau?« brummte Camille und blickte zur geschlossenen Tür.
    »Sie würden niemals eingestehen, daß sie ein Verhältnis mit einer Eingeborenen haben.«
    »Eingestehen …«, wiederholte Camille, der nun seinem Ärger ebenfalls freien Lauf ließ.
    Denn wegen des ganzen Trubels hatte ja auch er das Nachsehen! Graux hatte ihm fast nichts über seine Eltern erzählt!
    »Übrigens, hat Ihnen meine Schwester keinen Brief mitgegeben?«
    »Er ist noch in meinem Koffer. Du bekommst ihn morgen …«
    Ja, morgen! Und das anstelle eines unvergeßlichen Abends, wie man ihn nur einmal im Jahr erlebte, wenn man die Koffer auspackte, die Briefe hervorholte, wie auch die in Europa gekauften Mitbringsel, Geschenke für Baligi, für Camille, für den alten Uaraga, Baligis Vater, der nach nur drei Jahren Anlernzeit imstande war, das Elektrizitätswerk zu leiten.
    Ferdinand hatte nicht einmal daran gedacht, Camille mitzuteilen, ob er die Prämie für die Kaffeeausfuhr erhalten hatte oder nicht …
    »Um wieviel Uhr gehen

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