Weißer Mann mit Brille
sie schlafen?« fragte er.
»Wann sie schlafen gehen, weiß ich nicht … Aber sie bleiben bis Mitternacht oder ein Uhr morgens zusammen. Ich kann noch von Glück sagen, wenn sie mich nicht zwei- oder dreimal wecken, damit ich ihnen frisches Eis bringe … Gestern nacht mußte ich aufstehen, weil sie eine dicke Spinne entdeckt hatten, die sie nicht anzufassen wagten … Die Lady soll abergläubisch sein …«
Camille erstarrte, runzelte die Brauen, denn wieder war ein Schluchzer aus der Küche zu ihnen gedrungen.
»Sag ihr …«
»Daß Sie wegen der Engländer …«
»Ja, gut! Nein, laß nur …«
Er erhob sich, breitete die graue Decke über sein Feldbett.
»Wollen wir schlafen gehen? Machst du das Licht aus?«
»Wie Sie meinen …«
Im Raum wurde es dunkel.
»Bali …!« rief Graux leise. Er bediente sich oft dieses Kosenamens.
Camille, der nicht gleich die richtige Schlafstellung fand, wälzte sich auf seinem Lager hin und her, das Bettgestell knarrte. Ein Schatten glitt durch den Raum. Schemenhafte Formen bewegten sich aufeinander zu, dann vernahm man nur noch Atemzüge. Bis auf den Lichtstrahl unter der Tür der Engländer herrschte völliges Dunkel.
3
Zwar hatte Ferdinand die Augen geschlossen, aber er schlief nicht. Weiterhin drang der lange Lichtstreif unter der Tür, die zu Lady Makinsons Zimmer führte, durch seine Lider hindurch bis auf seine Netzhaut. Doch plötzlich erlosch das Licht.
Er hätte sich sagen können, daß er geträumt hatte, daß er gegen seinen Willen eingeschlummert war, doch er wußte bestimmt, daß es sich anders verhielt, er vermochte sogar den Zeitpunkt anzugeben, als es dunkel wurde, nämlich gegen elf Uhr.
Dann und wann wälzte sich Camille, der in einem entfernten Winkel des Raumes in tiefen Schlaf gefallen war, mit einem Ruck auf die andere Seite, als wollte er das Feldbett unter sich erdrücken. Dabei ächzte und stöhnte er wie einer, der eine ungeheure Anstrengung vollbringt.
Was Baligi betraf, so hätte niemand zu sagen gewußt, ob sie schlief oder wachte. Sie hatte sich zusammengerollt, und ihre Füße lagen auf Ferdinands Schenkel. Sie gab kein Lebenszeichen von sich, sie atmete kaum. Ganz sicher aber vergeudete sie eine so kostbare Stunde nicht mit Schlafen.
Nach Erlöschen des Lichtstrahls verfiel Graux endlich in tiefen Schlaf. Als er plötzlich daraus aufschreckte, war er weit weg gewesen. Er setzte sich auf und blickte mit wildem Augenausdruck um sich.
» … am sorry …« ,murmelte Captain Philps verdattert. »Ich bitte um Verzeihung.«
Das war’s also! Als er Lady Makinsons Zimmer verließ (Ferdinands Uhr zeigte zwei Uhr morgens an!), hatte er unwillkürlich das Licht eingeschaltet.
Ferdinand aber hatte, wie er so plötzlich hochfuhr, auch die in die Laken gekuschelte Negerin abgedeckt.
» … am sorry …«
Er löschte das Licht und ging in sein Zimmer, während Camille, immer noch schlafend, einen Grunzlaut ausstieß, sich aufrichtete und sich von neuem herumwarf.
» … am sorry …«
Baligi war natürlich hellwach. Sie rührte sich nicht, wagte nicht zu atmen. Sie wußte, daß das nicht hätte geschehen dürfen, daß so etwas nie geschehen durfte. Graux aber hing seinen Gedanken nach, es waren unerfreuliche Gedanken, über die er sich ärgerte. Noch eine Viertelstunde duldete er die Schwarze bei sich, dann murmelte er, wie sie es erwartete:
»Geh jetzt schlafen …«
Sie hatte neben dem Petroleumherd in der Küche ihre Matte.
Am Äquator sind alle Nächte gleich lang. Das ganze Jahr über geht die Sonne um sechs Uhr auf. Als Camille erwachte, war Ferdinand bereits fertig angekleidet und wanderte zum Elefantenschuppen. Es regnete nicht. Hinter der milchweißen Wolkendecke erriet man die gelbe Kugel der Sonne, deren Widerschein in den Wasserlachen aufblitzte.
Camille hatte nur einen Fehler: Unter seinem braunen Leinenanzug trug er wochenlang dasselbe Hemd, und er wusch sich nur ganz selten. Es machte ihm nichts aus, angekleidet zu schlafen und sich nur kurz das Gesicht zu waschen, bevor er sein Tagwerk in Angriff nahm. Kein Wunder, daß er nach Schweiß roch.
Ferdinand trat in den Schuppen. Däumling, dessen Haut vor Freude erschauerte, angelte sich winzige Stücke Jamswurzel aus seinen Händen. Ferdinand blickte geistesabwesend auf das mächtige Tier.
»Wen hast du als Läufer geschickt?«
»Maki! … Das letzte Mal hat er an die achtzig Kilometer an einem Tag geschafft … Sicher wartet er auf den Administrator oder den Doktor,
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