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Weißer Mann mit Brille

Weißer Mann mit Brille

Titel: Weißer Mann mit Brille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Welt, die aus einem Stoff von unnachahmlich samtiger Tönung gefertigt waren.
    Im Laufe des Abends wanderte sein Blick mehrmals von Lady Makinson zu Ferdinand, und dieser war davon überzeugt, daß der Major erraten hatte, was vorgefallen war.
    »Auf geht’s!«
    »Ein Augenblickchen … Philps! Sie sollten mir erst dabei behilflich sein, ins Bett zu kommen, schließlich bin ich ja noch schwerbehindert …«
    Graux und der Captain trugen sie ins Zimmer. Philps verabschiedete sich wie immer mit Handkuß.
    »Kommen Sie morgen?«
    »Aber natürlich! Mit dem Rennschlitten des Majors. Sie gestatten doch, Graux?«
    »Selbstverständlich.«
    »Gute Nacht. Träumen Sie süß …«
    »Gute Nacht!«
    Graux wußte nicht recht, wie er sich verhalten sollte, ging rückwärts zur Tür.
    »Gute Nacht …«, stammelte er.
    »Gute Nacht, Ferdinand.«
    Es war unglaublich! Alles lief völlig reibungslos ab, das konnte doch nicht mit rechten Dingen zugehen! Die Engländer waren in den Wagen gestiegen, der am Fuße der Außentreppe stand, und ließen den Motor an. Crosby entzündete eine neue Zigarre.
    »Bis morgen! …«
    Die Szene hätte sich auf jedem beliebigen Landgut abspielen können. Der Motorenlärm verklang in der Nacht. Camille trat hinter Ferdinand in die Diele. Er blickte finster drein.
    »Ich mag die Engländer nicht«, entfuhr es ihm.
    »Pst! …«
    Ach Unsinn! Die Tür war geschlossen, und sie hatte bestimmt nichts gehört.
    »Werden Sie sie noch lange hierbehalten?«
    »Ich weiß nicht …«
    Camille mußte etwas ahnen. Vielleicht wollte er ihn auch nur ausloten, denn er war durchtrieben wie alle Bauern.
    »Baligi hat den ganzen Nachmittag geweint«, ließ er ganz nebenbei fallen, als sei nichts Besonderes dabei.
    »Warum?«
    Camille antwortete nicht. Er schüttelte sein Kopfkissen auf, denn er würde ja weiterhin in der Diele auf dem Feldbett schlafen.
    »… Nacht!«
    »… Nacht!«
    Graux stand unschlüssig vor seiner Zimmertür. Hätte er Camille nicht in einem anderen Gebäude, zum Beispiel in der Krankenstation einquartieren sollen, wo die Betten leerstanden? Würde seine Anwesenheit in der Diele es ihm nicht verwehren, an Lady Makinsons Tür zu klopfen?
    Er tat es trotzdem. Eine Stimme rief:
    »Wer ist da?«
    Verschämt brachte er hervor:
    »Ich wollte mich nur vergewissern, daß Sie alles haben, was Sie brauchen …«
    »Ja! Danke …«
    Das war der Grund, warum er zitterte, als er allein in seinem Zimmer saß und auf das Luftpostpapier schrieb:
     
    Denn zwischen mir auf der einen Seite, Lady Makinson und ihrem Gefährten auf der anderen Seite besteht dasselbe soziale Gefälle wie zwischen dem kleinen, hilflosen Ehepaar und mir.
     
    Er hatte sein Bestes getan, um Ordnung in seine Gedanken zu bringen, und hatte seine Schlußfolgerung zu Papier gebracht.
     
    20. Mai – Die Ursache dafür ist zweifellos nicht der Rassen- sondern der Milieuunterschied. Wahrscheinlich verhält es sich in bestimmten französischen Kreisen nicht anders. Heute morgen ist Philps allein im silbergrauen Wagen des Majors hergekommen. Zwei Stunden lang hat er sich mit Lady Makinson eingeschlossen. Ich fühle mich als fürchterlicher Spießer, aber ich habe unentwegt an ihre beiden Kinder gedacht …
     
    Man sah Lady Makinson in keiner Weise an, daß sie am Vortag Ferdinands Geliebte gewesen war.
    Sie gab sich ganz wie immer, zeigte sich recht munter, mitunter schloß sie auch ermattet die Augen, denn das Bein verursachte ihr Schmerzen. Am Vorabend hatte Crosby ihr geraten, sich zur Behandlung nach Stanleyville zu begeben, das sie in nur vier Tagen mit dem Auto erreichen könnte. Sie hatte abgelehnt und sich dabei auf ihre früheren Unfälle berufen.
    »Aber vielleicht werden Sie dann hinken!«
    »Werde ich hinken, Ferdinand?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Da haben Sie’s!«
    Auf der entstehenden Trasse war das Flugzeug schon um dreihundert Meter näher herangeschoben worden. Ferdinand hatte Baligi wegen ihres schmutzigen Kleides gerügt. Camille war verstimmt.
    Grämte er sich wegen der Schwarzen oder wegen der Engländerin? Würde er seine Manie so weit treiben, daß er sich nun auch in Lady Makinson verliebte?
    Graux sprang recht hart mit ihm um. Doch als er ihn einmal wirklich grundlos angeherrscht hatte, entschuldigte er sich:
    »Ich glaube, es liegt am Regen, der einfach nicht kommt …«
    Die Regenzeit, die zu Anfang normal verlaufen war, hatte plötzlich ausgesetzt, und jetzt war sie schon zwei Wochen in Verzug.
     
    Ich frage mich,

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