Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weißer Mann mit Brille

Weißer Mann mit Brille

Titel: Weißer Mann mit Brille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
Zentrum der Landschaft bildete.
    Von Zeit zu Zeit sah Lady Makinson, ohne im Reden innezuhalten, Ferdinand an, der aber in ihren Augen nicht das geringste Zeichen einer besonderen Zuneigung zu erkennen vermochte.
    Sie war genau wie sonst! Keine Spur von Mattigkeit!
    »Haben Sie gehört, Ferdinand?«
    »Nein … Pardon …«
    »Wo sind Sie nur mit Ihren Gedanken? Ich sagte eben, es gehe nicht an, daß Sie noch länger auf einem Feldbett nächtigen. Buddy wird mit dem Major wegfahren …«
    Warum nannte sie ihn ›Buddy‹?
    »Wenn ich Sie nicht allzusehr belästige, bleibe ich noch, bis es mir einigermaßen geht … Buddy wird mich mit dem Auto besuchen, nicht wahr, Major Crosby?«
    Er wußte nicht mehr, woran er war. Vielleicht wollte sie nur mit ihm allein sein, aber warum verrieten weder ihre Blicke noch der Ton ihrer Stimme etwas davon?
    Baligi deckte den Tisch. Camille hielt sich abseits, wagte nicht, sich der Gesellschaft anzuschließen, doch Ferdinand rief ihn herbei.
    »Mein Verwalter und Freund …«
    »Spricht er Englisch?« fragte Crosby.
    »Er versteht praktisch alles.«
    Was sollte diese Frage, da die drei Engländer sich doch nicht mehr um ihre Gastgeber kümmerten? Die beiden Herren aßen die Gans, die Madame Graux eigenhändig eingemacht hatte, als würden sie in einem Restaurant irgendein Allerweltsgericht verzehren. Der Major sprach auch während des Essens dem Whisky zu, und mit Verwunderung stellte Ferdinand fest, daß Lady Makinson es ebenso hielt. »Haben Sie Nachricht vom Colonel?« Sie sprachen von Dingen, die nur sie interessierten, von Leuten, die Graux nicht kannte, vor allem von Offizieren der Armee in Indien und von Diplomaten.
    »Hat Buddy inzwischen einen Vormund?«
    »Man hat mir eine letzte Frist von drei Monaten gesetzt«, entgegnete Captain Philps.
    Er war, ein wenig burschikos ausgedrückt, der einzige Nachkomme von Philps & Philps, denn die Firma gehörte zwei Brüdern, strenggläubigen Protestanten, von denen der eine Junggeselle geblieben war und der andere nur einen Sohn hatte, nämlich den Captain, der weder von der Reederei noch vom Handel etwas wissen wollte.
    »Zahlen Sie weiterhin Ihre Schulden?«
    »Nicht alle«, erwiderte Lady Makinson. Ferdinand hätte es vorgezogen, daß sie über die Geldangelegenheiten von Philps nicht so genau Bescheid wußte. »Ich hatte sogar einmal erwogen, das Flugzeug auf seinen Namen eintragen zu lassen, um die Formalitäten zu vereinfachen, denn ich hatte noch keinen Flugschein. Doch jemand hat mich freundlicherweise darauf hingewiesen, daß die Gläubiger als erstes die Maschine pfänden lassen würden …«
    Sie fand das ganz natürlich, ja sogar drollig, und Philps dachte genauso darüber. Camille machte verzweifelte Anstrengungen, um dann und wann ein Wort zu erhaschen, um die Bedeutung der Sätze zu erraten.
    »Sind Sie mal wieder auf Java gewesen? Haben Sie diesen drolligen Holländer wiedergesehen, über den wir uns so köstlich amüsiert haben?«
    »Er schickt mir noch jetzt jeden Monat eine Postkarte …«
    »Er war doch verliebt in Sie, oder?«
    Graux errötete. Ihm schwante, daß er manches mit dem lächerlichen Holländer aus Java gemein hatte. Aber hatte der Holländer auch …
    »Sind Sie schlecht gelaunt?« erkundigte sich Lady Makinson, als ihm diese Gedanken durch den Kopf schwirrten.
    »Nein! Nur ein kleiner Anfall von Malaria …«
    »Sie müssen sich hinlegen!«
    Aha! Sie schickte ihn ganz einfach ins Bett! Sie brauchte ihn nicht. Mit ihren Freunden, Leuten ihrer Rasse, die denselben Kreisen entstammten und dieselbe Erziehung genossen hatten, fühlte sie sich restlos glücklich!
    Hatte er etwa geträumt, daß sie noch vor ein paar Stunden in seinen Armen gelegen hatte, ein wimmerndes kleines Mädchen, das seine nassen Augen an seiner Brust verbarg?
    »Wann kommen Sie mich besuchen?« fragte Crosby. »Wollen Sie mir nicht eine prachtvolle Elefantenkuh abkaufen? Sie ist wirklich eine Wucht. Wenn sie heiß ist, lasse ich sie frei, damit sie durch den Busch streunen kann. Das letzte Mal kam sie mit zwei kräftigen Männchen zurück, die wir nur zu fesseln brauchten. Fünfzigtausend! Abgemacht?«
    »Ich werde es mir überlegen.«
    Crosby lachte. Mit gleichbleibender Munterkeit vermengte er Jagd- und Saufgeschichten, Geschäftliches und Klatsch aus der großen Welt. Er war ein großer, schwerer Mann mit schlohweißem Haar. Er rauchte teure Zigarren, deren Bauchbinde seine Initialen trug, und hatte die schönsten Reithosen der

Weitere Kostenlose Bücher