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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Tatsache, dass Emma immer noch im Koma liege, sei ungünstig. »In den letzten zweiundsiebzig Stunden hat sich
     nichts verändert, Lemmer. Das ist das Problem. Je länger das Koma dauert, desto schlechter die Prognose.«
    Ich wollte fragen, ob sie etwas tun könnten, aber ich wusste, wie die Antwort lauten würde.
    »Eleanor, ich muss ein kleines Häuschen mieten, für ein paar Tage, vielleicht eine Woche. In der Nähe von Klaserie. Nichts
     für Touristen. Es muss abgelegen sein. Eine Farm oder einen kleinen Bauernhof …«
    »In Klaserie?«
    Ich nickte.
    »Warum dort?«
    »Fragen Sie nicht.«
    Eleanor schüttelte den Kopf. »Die Polizei bewacht Emma. Ihre Leute bewachen sie. Was ist los? Ist sie in Gefahr?«
    |285| »Hier ist sie in Sicherheit. Ich möchte nur dafür sorgen, dass sie auch sicher ist, wenn sie entlassen wird.«
    Der Ausdruck der Ärztin war nicht zu deuten, dann zuckte sie mit den Achseln, schüttelte ihre Fragen ab und sagte: »Ich werde
     Koos fragen.«
    Sie rief ihren Mann an und gab meine Frage weiter.
    »Koos sagt, es sei Neujahr. Nur Ärzte und Verliebte arbeiten.«
    »Sagen Sie ihm bitte, es drängt.«
    Sie gab meine Worte weiter, machte dann Notizen auf einem Schreibblock mit einem Pharma-Logo am oberen Ende. Sie fragte nach
     meiner Handynummer und gab sie an ihn weiter. Als sie auflegte, riss sie das Blatt Papier ab und sagte: »Koos sagt, er wird
     Nadine Bekker bitten, Sie anzurufen. Sie ist Maklerin. Aber lassen Sie ihm etwas Zeit, er möchte ein bisschen … Druck ausüben.
     Das kann er gut.«
    »Ich danke Ihnen sehr.« Ich erhob mich.
    »Lemmer …«, sagte sie. »Ich nehme an, Sie wissen, was Sie tun.«
    »Das werden wir ja sehen«, sagte ich.
     
    Das Einzige, was zum Frühstück offen hatte, war ein Wimpy. Ich bestellte mir ein doppeltes Frühstück und trank schon den zweiten
     großen Kaffee, als Nadine Bekker anrief. Ihre Stimme war schrill, und sie sprach schnell, wie jemand, der außer Atem war und
     spät dran. »Doktor Koos Taljaard sagt, Sie hätten einen Notfall, aber ich muss sagen, es wird nicht einfach, etwas zu finden,
     was Sie suchen. Die Leute wollen nicht kurzfristig vermieten.«
    »Ich zahle für einen Monat.«
    »Das wird helfen. Geben Sie mir ein wenig Zeit, es ist Neujahr. Ich weiß nicht, wen ich erreichen kann. Ich rufe Sie zurück.«
    Ein Kellner mit blutunterlaufenen Augen brachte mein Frühstück. Der Koch musste auf derselben Party gewesen sein, denn die
     Eier waren wie Gummi und die Bratwürstchen |286| hart und trocken. Ich musste aber etwas essen. Ich bestellte noch mehr Kaffee, um den Fraß herunterzuspülen. Ich sah mich
     um und betrachtete die anderen paar Leute in dem Laden. Sie saßen einzeln oder zu zweit an Tischen und sprachen leise miteinander,
     Kopf und Schultern vorgebeugt. Sah ich aus wie sie? Ein bisschen verloren, ein bisschen einsam, ein bisschen peinlich berührt
     davon, dass ein Frühstück bei Wimpy das Beste war, was ich an diesem Feiertagsmorgen zustande brachte.
    Ich hatte ein sinnloses Gefühl der Schuld, das ich nicht abschütteln konnte. Es hatte mit Emma zu tun, mit ihrem Zustand und
     meiner Arbeitsmoral – wie konnte ich, der eigentlich arbeiten sollte, mich fleischlichen Freuden hingeben, während sie im
     Koma lag? Aber das war leicht zu erklären. Ich zuckte mit den Achseln. Das andere war schwieriger, denn am Ende ging es darum,
     wie ich … wie sehr sie mich manipuliert hatte, sie zu mögen, Mitgefühl mit ihr zu haben, sie zu unterstützen? Wie viel davon
     war Absicht gewesen? Wie viel von meinem Unwohlsein lag an der Tatsache, dass ich sie nicht hatte beschützen können und sie
     die Erste war, bei der ich beruflich versagt hatte? Das war ein schönes Minenfeld für mein Bewusstsein.
    Außerdem war ich nicht darauf aus gewesen. Es war einfach passiert. Es war zehn Monate her, dass ich mit einer Frau geschlafen
     hatte. Deswegen war letzte Nacht so intensiv gewesen. Das passiert; manchmal trifft man eine Frau mit demselben Hunger, derselben
     Wut, demselben …
    Mein Handy klingelte. Nadine Bekker meldete sich. »Ich habe zwei Angebote für Sie, es gibt noch ein paar andere, aber die
     Besitzer gehen nicht ans Telefon. Wenn ich mehr Zeit hätte, könnte ich es hinbekommen. Wollen Sie sie sich ansehen?«
     
    Sie war eine kleine Frau in den Fünfzigern, eine geschäftige Biene mit kurzem, blond gefärbtem Haar und einem extravaganten
     Ehering. Sie war angezogen, als wollte sie in die Kirche. |287| Ihre hohen

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