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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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während die Sonne in unserem Rücken aufging, erzählte ich ihm alles – von meinem Vater, meiner
     Mutter und den Jahren in Seapoint. Als ich fertig war, dachte er lange nach. Dann sagte er: »Sie sind dieses Land.«
    Zwanzig Jahre alt, noch feucht hinter den Ohren, sagte ich: »Sir?«
    »Wissen Sie, was dieses Land zu dem gemacht hat, was es ist?«
    »Nein, Sir?«
    »Die Afrikaaner und die Engländer. Sie sind beides zugleich.«
    Ich antwortete nicht. Er schaute in die Ferne und sagte: »Aber Sie haben die Wahl, mein Sohn.«
    Sohn.
    »Ich weiß nicht, ob dieses Land noch die Wahl hat. Die Klaustrophobie und Aggression der Afrikaaner, die Gerissenheit der
     Engländer; das hat uns hierhergebracht. Es funktioniert nicht in Afrika.«
    Ich war entgeistert. Er war ein Mitglied der Regierung der Nationalpartei.
    Er klopfte seine Pfeife am Stein aus und sagte zu mir: »
Umuntu ngumuntu ngabantu.
Wissen Sie, was das heißt?«
    »Nein, Sir.«
    »Es ist Zulu. Daher kommt auch das Wort ›ubuntu‹. Es heißt viele Dinge. Wir können nur Mensch sein durch andere Menschen.
     Wir sind Teil eines Ganzen, einer größeren Gruppe. Untrennbar. Die Gruppe ist das Individuum. Es heißt, wir sind niemals allein,
     aber es heißt auch, Schaden an anderen ist Schaden an einem selbst. Es heißt Sympathie, Respekt, brüderliche Liebe, Leidenschaft
     und Mitgefühl.«
    |283| Er schaute mich durch seine dicken Brillengläser an und sagte: »Danach müssen die Weißen in Afrika suchen. Wenn sie es nicht
     finden, werden sie ewig Fremde in diesem Land bleiben.«
    Ich war zu jung und dumm, um zu verstehen, was er mir sagte. Ich bekam auch nie die Gelegenheit, ihn danach zu fragen, denn
     er erschoss sich auf ebendiesem
koppie
, um seiner Familie das Leid seines unheilbaren Siechtums zu ersparen. Aber ich habe immer wieder darüber nachgedacht. Ich
     habe mich und andere beobachtet, habe mich daran erinnert, Fragen gestellt. Ich entwickelte ein Talent, ihr Auftreten und
     Handeln nach bedrohlichen Anzeichen zu überwachen, aber auch, die Geschichte ihres Lebens zu erraten und mich zu fragen: »Wie
     bin ich Mensch durch sie?« Ich fragte mich nach meiner Unfähigkeit, Teil eines Ganzen zu sein. Die Gesellschaft ist ein primitiver
     Organismus mit einer selektiv durchlässigen Membran, und ich wurde einfach nicht selektiert, meine Form passte nicht.
    Später, als ich über mehr Weitblick verfügte, wünschte ich, ich könnte noch einmal mit dem Minister auf dem
koppie
reden. Ihm sagen, dass Afrika die Quelle des
ubuntu
war, dass es stimmte. In den Augen vieler Menschen sah ich die Sanftheit, die Sympathie, den guten Willen, das große Verlangen
     nach Frieden und Liebe.
    Aber der Kontinent hatte auch eine andere Seite, das Yang zum Yin des
ubuntu
. Er war eine Brutstätte der Gewalt. Ich wollte ihm sagen, dass ich das, was aus mir geworden war – dank meiner Gene und der
     stetigen Anleitung durch meinen Vater – auch in anderen erkennen konnte. Etwas fehlte in ihrem Blick, als wäre etwas abgestorben
     in ihnen; Menschen, die Schmerz nicht länger fürchteten und zugleich einen gewissen Druck verspürten, ihn zu verursachen,
     andere zu verletzen. Nirgends entdeckte ich sie häufiger als in Afrika.
    Bei meinen Reisen mit der Nationalpartei und den ANC-Ministern sah ich die Welt – Europa, den Mittleren und Fernen Osten,
     meinen Heimatkontinent. Und hier in der Wiege |284| der Menschheit erkannte ich die Mehrheit meiner Blutsbrüder im Blick von Politikern und Diktatoren, Polizisten, Soldaten und
     Bodyguards und schließlich auch in dem meiner Knastbrüder. Im Kongo und Nigeria, in Mosambik und Simbabwe, Angola und Uganda,
     Kenia und Tansania, im Brandvlei Prison – Menschen, geprägt durch Gewalt, die sie weitertrugen wie einen Gospel.
    Manchmal verspürte ich den tiefen Wunsch, anders zu sein – zu einer Bruderschaft des Respekts zu gehören, der Leidenschaft
     und Sympathie, der Unterstützung und erstaunlichen Selbstlosigkeit. Es war das genetische Echo meiner Vorfahren, die Afrika
     vor so vielen Äonen verlassen hatten, doch das Signal war zu schwach, die Entfernung zu groß.
    Ich dachte mir nichts weiter dabei. So war es nun einmal: ein Weißer auf dem Kontinent des
ubuntu
.
     
    In der VIP-Suite berichtete B. J. Fikter mir, dass die Nacht ohne Zwischenfall vergangen sei. Er wollte sich gerade hinlegen,
     und ich nahm mir Emmas Handy und Ladegerät und machte mich dann auf die Suche nach Doktor Eleanor Taljaard.
    Sie sagte, die

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