Weißer Schatten
zu erledigen. Letztendlich musste
ich zurück nach Motlasedi – zu meinem gemieteten Bauernhaus am Fuße des Berges, neben dem Bach, an den »Ort des großen Kampfes«.
Ich wusste, dass sie dort auf mich warten würden.
Sie würden die Handygespräche mitgehört haben; dafür hatten sie die Technologie. Sie würden mein Heim auf Zeit in der dunkelsten
Stunde mit ihren Scharfschützengewehren und Balaclavas heimgesucht haben. Sie hätten nichts gefunden. Aber sie würden dort
warten, um mich zu töten.
Danach würden sie auch Emma auf die eine oder andere Weise erledigen. Sie würden vor nichts zurückschrecken, denn sie konnten
es sich nicht leisten, uns laufenzulassen.
|338| Ich verstand nun fast alles. Ich konnte noch nicht genau sagen, aus welchem Grund sie nach zwanzig Jahren ihr großes Geheimnis
noch immer derart entschlossen bewahrten, aber ich würde es herausfinden.
Heute noch.
|339| 40
Die entsetzliche Ironie in der Geschichte von Jacobus le Roux bestand darin, dass sie mit dem militärischen Einfluss seines
Vaters begann.
Nach der Grundausbildung 1985 wurden drei Soldaten zur neugebildeten Umweltschutztruppe Nature and Environmental Conservation
Unit der Armee versetzt, die insgesamt aus knapp über zwanzig Soldaten bestand. Jacobus war einer der Auserwählten, denn Johannes
Petrus Le Roux, der Geschäftsführer von Le Roux Engineering Works, einem Lieferanten der Armee, hatte mit dem richtigen General
gesprochen.
Er hatte sich deswegen nicht einmal schuldig gefühlt. So war das Leben nun einmal. Was zählte, war, wen der Vater kannte.
Und es war besser, wenn jemand diese Aufgabe übernahm, dem die Natur viel bedeutete, als irgendein Blödmann, der bloß ziellos
durch den Busch schlurfte. So bekam Jacobus le Roux die Gelegenheit, seine Leidenschaft im General De Wet Training Camp in
De Brug außerhalb Bloemfonteins auszuleben. Dort grasten auf siebzehntausend Hektar Land über zehntausend Springböcke.
Er war ein selbstsicherer junger Mann, intelligent, voller Leidenschaft, entschlossen und in seinem Element. Er beeindruckte
die Vorgesetzten mit seinen Kenntnissen und seiner Arbeitsmoral. Das nächste Angebot im September 1985 erhielt er wegen seiner
Leistungen.
Der Colonel kam aus Pretoria, um De Brug zu inspizieren, und bei einer Tasse Tee im Aufenthaltsraum erzählte er von den beiden
Armeeeinheiten im Kruger-Park. Das eine waren 7 SAI, ein Infanterie-Bataillon aus Phalaborwa, das an der Parkgrenze zu Mosambik
patrouillierte. Das andere war die unbekanntere |340| ESU, die Environmental Services Unit, ursprünglich begründet unter dem Einfluss des legendären ehemaligen Special Forces Major
Jack Greeff, aber jetzt unter dem Dach der Nature and Environmental Conservation Unit. Ziel der ESU war, den zahllosen Wilderern,
Elfenbeindieben und Schmugglern im Kruger das Handwerk zu legen.
Ob Jacobus daran interessiert sei, sich ihnen anzuschließen?
Er hatte ja gesagt, lange bevor seine Teetasse leer war. Vierzehn Tage später meldete er sich zu sechs Wochen Intensivtraining
in der 5 Recce Battalion Base in Lowveld. Dort traf er Vincent Mashego zum ersten Mal, seinen Guide, Partner und zukünftigen
Kameraden.
Mashego war das Gegenteil von Jacobus. Der reiche weiße Junge gehörte zur herrschenden Elite; der junge schwarze Mann war
in Shatale, Mapulaneng, aufgewachsen, er gehörte zu einem bettelarmen, winzigen Stamm, dessen Sprache SePulane an keiner Schule
und in keinem Buch gelehrt wurde. Sein Stammesname war Tao, was »Löwe« hieß, das Totem des Mapulana-Stammes, aber er war so
ruhig und schüchtern, dass seine Verwandten ihn Pego nannten. Es war die zynische Abkürzung von Pegopego – Plaudertasche.
Jacobus war schlank und muskulös und ein Fremder in der Gegend. Pego Mashego war klein, drahtig und zäh, und er kannte das
Lowveld wie seine Westentasche. Der Afrikaaner war hier, weil er wollte, der Mapulana, weil er Geld brauchte. Aber am Ende
hatten sie eines gemeinsam: eine große Liebe und höchstes Interesse an der Natur.
Ihre Freundschaft war nicht spontan; die Unterschiede in Herkunft, Klasse und Persönlichkeit waren zu groß, doch in den sechs
Wochen Quälerei entwickelte sich ein Band gegenseitigen Respekts. Was vor ihnen lag, würde dieses Band unauflöslich machen.
Die Strategie der ESU bestand darin, Zweier-Teams eine Woche lang einen bestimmten Bereich zu Fuß patrouillieren zu lassen.
Die Bereiche wurden durch Pläne
Weitere Kostenlose Bücher