Weißer Schatten
ständiges Spiel mit der Welt um sich herum
zu treiben.
Jeanette hatte das Vorhandensein einer Akte bestätigt. Also wohnte Emmas Geschichte eine gewisse Wahrheit inne. Aber wie viel
Wahrheit? Beantwortete das genug Fragen? Wenn ihr Leben wirklich in Gefahr war, warum hatte sie sich für
Body Armours
billigste Option entschieden? Zumal sie laut Carel reich geerbt hatte.
Sollte ich ihr im Zweifelsfall glauben und einfach annehmen, dass Carel übertrieben hatte? Oder fand Emma vielleicht gar nicht,
dass sie wirklich in Gefahr war – obwohl sie als kleine Frau dazu neigte? Möglicherweise war sie finanziell konservativ. Oder
einfach nur geizig. Oder zu bescheiden oder unsicher, zwei oder vier Männer mit Schusswaffen um sich herum ertragen zu können.
Oder sie spielte ein Spiel.
Unser Gepäck kam. Wir gingen hinüber zur Budget-Autovermietung. Während Emma die Formulare ausfüllte, klingelte mein Telefon.
Ich erkannte die Nummer, entfernte mich ein wenig und meldete mich.
»Hallo, Antjie«, sagte ich.
»Wo steckst du?«, fragte Antjie Barnard in ihrer tiefen, unglaublich sinnlichen Stimme.
»Ich arbeite. Ich werde ungefähr eine Woche weg sein.«
|46| »Das habe ich mir gedacht. Was ist mit der Bewässerung deines Gartens? Es ist heiß hier.«
»Ich muss dich bitten, das zu übernehmen.«
»Dann mache ich das. Wenn wir uns nicht vorher noch sehen – schönes neues Jahr.«
»Danke, Antjie, dir auch. Pass auf dich auf.«
»Wozu?« Sie lachte und legte auf.
Als ich mich umwandte, stand Emma direkt hinter mir, und die Erkenntnis neuer Informationen strahlte in ihren Augen. Ich sagte
nichts, sondern nahm nur den Schlüssel eines weißen BMW 318i entgegen, den sie mir hinhielt. Er stand draußen in der Sonne.
Ich stellte unser Gepäck in den Kofferraum und schaute mich um. Niemand interessierte sich für uns. Ich stieg ein und ließ
den Motor an, damit die Klimaanlage loslegte. Emma entfaltete eine Karte in ihrem Schoß.
»Ich dachte, wir fahren erst einmal nach Hoedspruit«, sagte sie. Ihr Zeigefinger glitt über die Straße. Sie trug keinen Nagellack.
»Hier, vorbei an Hazyview und Klaserie, das sieht wie der kürzeste Weg aus. Kennen Sie diesen Teil des Landes, Lemmer?«
»Nicht gut.«
»Ich kann ansagen.«
Wir fuhren los. Es war mehr Verkehr, als ich erwartet hatte, Pick-ups, Geländewagen, Trucks, Minibus-Taxis. Kein Anzeichen
dafür, dass uns jemand folgte. Durch White River, der Unterschied zum Kap war deutlich – hier strahlten die Farben der Natur:
das Blattwerk der endlosen Bäume, das Blutrot fast jeder Blume, das tiefe Mahagonibraun der Menschen, die Stände am Straßenrand
betrieben. Hässliche, amateurhafte Schilder brüllten Namen, Preise und Richtungen zu Campingplätzen, Unterkünften und sogar
privaten Wildtierfarmen.
Emma gab Anweisungen; wir fanden die R538 und fuhren sie entlang, anfangs schweigend.
Als die Frage schließlich kam, überraschte sie mich nicht. Keine Frau kann ihre Neugier zu bestimmten Themen unterdrücken.
|47| »War das Ihre …« Ein zögernder Augenblick, um anzudeuten, dass das Wort im weitesten Sinne zu verstehen war: »… Freundin?«
Ich wusste, was sie meinte, tat aber unschuldig.
»Die Frau, die gerade angerufen hat?« Emmas Ton klang nach Plauderei, nach neutraler Freundlichkeit, die eher Neugier signalisierte,
nur geringes Interesse. Das musste nicht einmal falsch sein. So funktionieren die Gehirne der Frauen. Sie nutzen derartige
Informationen, um das Bild auszuschmücken. Wenn man eine Freundin hat, kann man kein totaler Psychopath sein. Die Kunst besteht
darin, ihnen so zu antworten, dass man die nervtötenden Folgefragen vermeidet. Was macht sie? (Um den Status von einem selbst
und der Freundin zu ermitteln.) Sind Sie schon lange zusammen? (Um den Grad der Beziehung ermessen zu können.) Wie haben Sie
sich kennengelernt? (Um das Bedürfnis nach Romantik zu befriedigen.)
Meine Antwort war bloß ein Lächeln und ein undefinierbarer Laut. Das funktionierte jedes Mal, denn es stellte klar, dass es
nicht die Art Freundin war, die sie sich vorstellten, und dass es sie auch gar nichts anging. Emma nahm es tapfer hin.
Wir fuhren durch Nsikazi, Legogoto, Manzini, kleine Dörfer, eine endlose Ansammlung armer Hütten und rastloser Menschen, die
durch die unglaubliche Backofenhitze marschierten; Kinder, die auf den Fersen am Straßenrand kauerten oder unter einer Brücke
im Fluss schwammen.
Emma schaute nach links,
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