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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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der Löwen und Elefanten querfeldein marschieren. Also gab es nicht viel Grund zur
     Sorge.
    Ich ging wieder hinein, die Kühle war erfrischend. Emmas Tür war geschlossen; ich konnte die Dusche prasseln hören. Für einen
     kurzen Moment sah ich ihren Körper unter dem Wasserstrom vor mir. Ich betrat mein Zimmer, um mir in meinem Bad kaltes Wasser
     über den Körper laufen zu lassen.

|53| 7
    Wir spazierten im Dämmerlicht zum Restaurant Mohlolobes Honey Buzzard. Emma wirkte ein wenig gedrückt. Sie war auch beim Abendessen
     gestern in Hermanus still gewesen. Vielleicht war sie kein Abendmensch. Vielleicht lag es an der Hitze.
    Während wir im Kerzenlicht am Tisch saßen, sagte sie: »Sie müssen sehr hungrig sein, Lemmer.«
    »Ich könnte schon etwas vertragen.«
    Ein Kellner brachte uns die Speise- und eine Weinkarte. »Manchmal vergesse ich zu essen«, sagte sie.
    Sie reichte mir die Weinkarte. »Sie können gern Wein bestellen.«
    »Nein, danke.«
    Sie las lange, aber ohne Begeisterung, die Speisekarte. »Nur einen griechischen Salat«, sagte sie dem Kellner. Ich bestellte
     eine Flasche Mineralwasser zum Preis eines Kleinwagens und das Rinderfilet mit Kartoffelbrei und Grüner-Pfeffer-Sauce. Wir
     betrachteten die anderen Leute im Saal, Fremde mittleren Alters in Zweier- und Vierergruppen. Emma zupfte die weiße Leinenserviette
     aus dem nachgemachten Elfenbeinring. Sie drehte den Ring mit ihren schlanken Fingern im Kreis und untersuchte das feine Blattmuster
     darauf.
    »Es tut mir leid wegen vorhin …«, sagte sie und schaute auf. »Als ich die Impalas sah …«
    Ich erinnerte mich an den Augenblick, als sie die Hand vor den Mund gehoben hatte.
    Sie konzentrierte sich wieder auf den Serviettenring in ihrer Hand. »Wir hatten eine Jagdfarm in Waterberg. Mein Vater …«
    Sie nahm einen tiefen Atemzug und stieß ihn langsam aus, |54| sie versuchte die Gefühle hinter den Worten unter Kontrolle zu bekommen.
    »Kein großes Gelände, nur dreitausend Hektar, bloß ein Stück Land mit ein bisschen Wild, sodass wir am Wochenende dort hinfahren
     konnten und … Mein Vater sagte, das wäre für uns, für seine Kinder, damit wir keine reinen Stadtkinder würden. Damit wir wüssten,
     was
klits -
Gras ist. Für Jacobus war es … Er war niemals im Haus, wenn wir dort waren. Er schlief draußen, lief herum und fühlte sich
     wohl … Er hatte immer zwei oder drei Freunde mit, aber spät am Nachmittag, wenn die Sonne unterging, kam er mich holen. Ich
     muss neun oder zehn gewesen sein; er war schon fast mit der Schule fertig. Er ging mit seiner kleinen Schwester spazieren
     … Er wusste, wo das Wild war, all die Herden. Er fragte mich, was ich sehen wollte. Kleine, welches Wild? Und dann erzählte
     er mir von ihnen, ihren Gewohnheiten, was sie taten. Und die Vögel – ich musste alle ihre Namen lernen … das war lustig …
     aber ich fühlte mich immer ein wenig schuldig, weil ich nicht war wie er … Es war, als würde er nur wirklich zum Leben erwachen,
     wenn wir auf der Farm waren, in den Ferien … Ich wollte nicht andauernd dort hinfahren, nicht jedes Wochenende und jede Ferien.«
    Sie schwieg wieder, bis unser Essen kam. Ich machte mich über das Steak her. Sie schob ihren Salat mit der Gabel hin und her,
     dann legte sie das Besteck hin.
    »Mein Vater … für ihn war das Schlimmste, dass sie Jacobus nie gefunden haben. Vielleicht wäre es für ihn leichter gewesen,
     wenn es eine … eine Leiche gegeben hätte. Irgendetwas …«
    Sie hob die Serviette von ihrem Schoß und drückte sie vor ihren Mund. »Er hat die Farm verkauft – als es keine Hoffnung mehr
     gab. Er hat nie mit uns darüber gesprochen; er kam einfach eines Tages nach Hause und sagte, die Farm sei … Es war das erste
     Mal … heute, als ich das Wild gesehen habe. Es war das erste Mal seit damals auf der Farm. Seit Jacobus starb.«
    Ich sagte nichts. Mitgefühl auszudrücken war nie meine Stärke gewesen. Ich saß da, und mir war klar, dass es nichts zu bedeuten
     hatte. Ich war bloß der Einzige, der hier war.
    |55| Emma griff wieder nach dem Serviettenring. »Ich … Letzte Nacht habe ich gedacht, vielleicht mache ich einen riesigen Fehler,
     vielleicht will ich so sehr, dass irgendetwas von Jacobus irgendwo … dass ich … Wie kann ich das objektiv beurteilen? Wie
     kann ich sicher sein, dass es nicht nur meine Gefühle und meine Sehnsucht sind … Ich vermisse sie, Lemmer. Ich vermisse sie
     als Menschen, und ich vermisse sie in

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