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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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in ihrem Mund kreisen und schaute mich
     erwartungsvoll an.
    Ich nippte etwas Wein. Er schmeckte dunkel, wie der Rauch eines schwelenden Feuers. Sie schluckte. »
Jetzt
sagen Sie mir, das schmeckt schlecht.«
    |146| Ich schluckte. »Es schmeckt schlecht.«
    Sie lachte wieder. »Wirklich, Lemmer. Wirklich?«
    »Probieren Sie den Traubensaft. Ehrlich und objektiv.« Ich goss welchen in die leeren Gläser. »Sie müssen nicht einmal daran
     riechen – nur probieren.«
    »Okay«, sagte sie mit einem amüsierten Lächeln, und wir tranken.
    »Erfrischend«, sagte ich. »Schmecken Sie den leichten Fruchtgeschmack, unverkennbar Traube. Jung, knackig, reine
joie de vivre

    Emma lachte. Das gefiel mir.
    »Spüren Sie, wie die Bläschen auf Ihrer Zunge tanzen, kleine Explosionen ekstatischer, unverstellter Ehrlichkeit, ohne jede
     Anmaßung.
Diese
noble Flüssigkeit muss nicht so tun als ob, sie braucht keine achttausend Jahre Markenpositionierung. Hier ist er, unverfälschter
     Saft, reinstes Trinkvergnügen …«
    Sie lachte lauthals auf, verschluckte sich beinahe, die Augen geschlossen und den hübschen Mund offen. Im Restaurant drehten
     sich Köpfe in Richtung des fröhlichen Klangs, die Leute mussten zumindest mitlächeln. Blitze zuckten vor den Fenstern, der
     Donner war dröhnend in der Nähe zu hören, es rumpelte und krachte von Norden bis Süden wie eine wild gewordene Lokomotive.
     
    Kurz bevor wir bestellten, sagte ich aus irgendeinem Grunde ganz spontan: »Die Freundin, die mich angerufen hat, am Flughafen
     …«
    »Antjie«, entgegnete Emma mit einem frechen Zwinkern. Ihre Erinnerung überraschte mich.
    »Sie ist fast siebzig.«
    »Wunderbar«, sagte Emma.
    Ich wünschte, ich wüsste, was sie damit sagen wollte.
     
    Sie war ein wenig unsicher auf den Beinen, als wir das Restaurant verließen, und hielt sich an meinem Arm fest. Es regnete
     draußen, ein dichter Vorhang fetter Tropfen. Ich zögerte auf |147| der Schwelle. Sie zog ihre Sandalen aus und nahm wieder meinen Arm. »Gehen wir.« Wir traten nach draußen und waren sofort
     klatschnass. Der Regen war warm, die Luft noch nicht abgekühlt. Ihre Hand hielt mich zurück, sodass wir nicht schnell vorankamen.
     Ich sah Emma an. Sie hatte das Gesicht nach oben gewandt, dem Regen entgegen und die Augen geschlossen; das Wasser verwandelte
     ihr Mascara in schwarze Tränen. Sie ließ sich von mir führen wie eine Blinde. Das weiße Kleid klebte. Ich bemerkte die Kurven
     ihres Körpers. Wasser strömte über mein Gesicht, meine Augen. Der Regen platschte auf den Weg, auf das Land, die Bäume und
     die Strohdächer. Es war der einzige Laut in der Nacht, selbst das Platschen meiner nassen Schuhe in den Pfützen konnte man
     nicht hören.
    So spazierten wir durch den Regen.
    Vor der Bateleur-Suite ließ sie meinen Arm los, warf ihre Sandalen schwungvoll auf die Veranda und blieb draußen im Regen
     stehen. Ich trat unters Dach, schloss die Tür auf, setzte mich in einen der Sessel und zog meine Socken und Schuhe aus. Emma
     stand mit nach oben gerichtetem Gesicht da und streckte die Arme zum Himmel. Der Regen schien die Einladung anzunehmen und
     legte noch zu. Die Wasserströme glitzerten im Licht der Veranda.
    Dann blitzte es hell, und der Donner dröhnte ohrenbetäubend nahe. Emma rief etwas und huschte mit einem hellen Lachen die
     Stufen an mir vorbei durch die Tür.
    Ich zog mein Hemd aus und legte es über die Armlehne eines Sessels, drehte meine Schuhe um, damit das Wasser herauslaufen
     konnte, und hängte meine Socken neben das Hemd.
    Ich ging durch die Schiebetür hinein, zog sie zu und schloss ab. Das Wohnzimmer war dunkel. Nur ein Lichtstrahl fiel aus ihrem
     Zimmer, und eine Wasserspur führte dorthin. Ich dachte an eine Dusche, tat einen Schritt vorwärts und sah dann die Reflektion
     im Glas des Bildes an der Wand.
    Emma.
    Sie hatte sich ausgezogen. Sie stand neben dem Doppelbett |148| und beugte sich mit dem weißen Handtuch im Haar nach vorn.
    Ich blieb stehen. Ich hielt den Atem an. Ich betrachtete den goldfarbenen Körper im spiegelnden Glas, den flachen Bauch, die
     femininen Hüften, die schlanken Beine, einen dichten Busch Schamhaar. Ihre Brüste hüpften mit jeder entschlossenen Bewegung
     des Handtuchs, die Brustwarzen aufrecht. Eine Ewigkeit und doch zu kurz – zu schnell war sie fertig und wandte sich ab, um
     das Handtuch über etwas zu werfen. Ich sah die Kurve ihrer cremefarbenen Pobacken, und dann spazierte sie so natürlich

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