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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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immer noch.«
    Es gefiel mir, wie Emma mich ansah, während ich redete, erfreut und überrascht. Als ich fertig war, lachte sie, ein kurzes,
     glückliches Lachen, als hätte jemand ein Geschenk ausgepackt. Sie wollte etwas sagen, aber der Weinkellner kam, und sie wandte
     ihm ihre Aufmerksamkeit zu und sagte: »Ich hätte gern diese Flasche Merlot, und ich möchte den besten roten Traubensaft, den
     Sie haben, und bitte bringen Sie uns zwei Extragläser.«
    Der Kellner notierte die Bestellung, und als er gegangen war, lehnte sie sich auf ihrem Stuhl zurück und fragte: »Wo haben
     Sie sich nur versteckt, Lemmer?« Dann hob sie ihre kleine Hand und sagte: »Egal, aber ich bin froh, dass Sie hier sind. Lesen
     Sie gern? Woher wissen Sie all das?«
    Vier Jahre im Knast, Emma le Roux, da hat man viel Zeit herumzubringen.
    »Ich habe ein bisschen gelesen.«
    »Ein bisschen? Was lesen Sie?«
    »Sachbücher.«
    »Zum Beispiel?«
    »Alles.«
    »Erzählen Sie mir von etwas, was Sie in letzter Zeit gelesen haben.«
    Ich dachte eine Weile nach. »Wussten Sie, dass die Geschichte Südafrikas durch Grassamen entschieden wurde?«
    Sie zog eine Augenbraue hoch, ihre Mundwinkel zuckten. »Nein …«
    |144| »Es stimmt aber. Vor zweitausend Jahren gab es hier nur die Khoi und die San. Sie waren Nomaden, keine Farmer. Dann kamen
     die Bantu aus Ostafrika mit Rindern und Sorghum, und sie verdrängten die Khoi und die San in die westlichen Bereiche Südafrikas.
     Warum dorthin? Weil der Sorghum-Samen ein Sommergetreide war und die westlichen Gebiete im Winter zu verregnet sind. Deswegen
     haben die Xhosa sich niemals hinter dem Fish River angesiedelt. Sie brauchten Sommerregen. Vor vierhundert Jahren kamen die
     Europäer mit ihren Wintersaaten ans Kap. Die Khoi konnten sie nicht aufhalten, der technologische Vorsprung war zu groß. Überlegen
     Sie nur mal: Wenn die Xhosa und Zulu Wintersaaten gehabt hätten – wie anders wäre die Geschichte verlaufen, wie viel schwieriger
     wäre es für die Holländer gewesen, eine Anlaufstation am Kap zu errichten!«
    »Erstaunlich.«
    »Allerdings.«
    »Wo haben Sie das gelesen?«
    »In einem Sachbuch.«
    »Und diese Sprachgeschichte?«
    »Was ist damit?«
    »Sie sagten, Sie seien ein
taalbul

    »Ja. Manchmal.«
    »Und?«
    »Na ja … Nehmen Sie Susan zum Beispiel. Sie wusste, dass wir Afrikaaner sind. Sie kann es an Ihrem Vor- und Nachnamen ablesen,
     sie kann es an Ihrem Akzent hören. Aber sie spricht Englisch mit uns. Warum?«
    »Da bin ich gespannt.«
    »Weil sie vor allem mit Ausländern arbeitet und nicht will, dass die wissen, dass sie Afrikaanerin ist. Zu viel Altlasten.
     Sie will, dass die Touristen sie mögen, sie sollen sie niedlich finden. Sie will nicht durch ihre Sprache und deren Geschichte
     vorverurteilt und eingeschätzt werden.«
    »Ihr widerstrebt die Positionierung von Afrikaans als Marke.«
    »Genau so ist es. Was ich nicht verstehe, ist, warum sie … warum
wir
alle nichts dagegen unternehmen. Die Lösung besteht |145| doch nicht darin, sich zu verstecken. Die Lösung besteht darin, die Wahrnehmung der Marke zu verändern.«
    »Geht denn das?«
    »Ist das nicht Ihr Job?«
    »Ist es, aber eine Sprache ist ein wenig komplexer als Ketchup.«
    »Der Unterschied ist, dass alle, denen der Ketchup etwas bedeutet, an der Veränderung der Sichtweise mitarbeiten werden. Die
Buren
tun das einfach nicht.«
    Emma lachte. »Das stimmt.«
    Der Kellner brachte eine Flasche Merlot, eine Flasche Traubensaft und zwei Extragläser. Er wollte einschenken, doch Emma sagte
     danke, sie werde das selbst übernehmen.
    Sie schob ein Weinglas zu mir herüber. »Probieren Sie nur einen Mundvoll«, sagte sie. »Und dann sagen Sie mir ganz ehrlich,
     ob das nicht gut schmeckt.«
    Sie schenkte mir ein. Ich nahm das Glas.
    »Warten Sie«, sagte sie. »Erst einatmen.«
    Sie schenkte sich ein halbes Glas ein, drehte es in der Hand und hielt es unter die Nase. Ich tat es ihr nach. Es waren angenehme
     Aromen, aber da war auch noch etwas anderes.
    »Was riechen Sie?«, fragte sie.
    Wie konnte ich ihr das erklären? Dass meine Vergangenheit in dem Geruch von Wein steckte, die Erinnerung daran, wo ich herkam,
     wer ich war.
    Ich zuckte mit den Achseln.
    »Kommen Sie, Lemmer, seien Sie objektiv. Können Sie die Nelken riechen? Die Beeren? Es ist nicht leicht, ich weiß, aber sie
     sind da.«
    »Sie sind da«, log ich.
    »Gut, und jetzt probieren Sie«, sagte Emma und nahm einen Schluck. Sie ließ den Wein

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