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Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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den Mund wieder zu. »Die ganze Angelegenheit wird jetzt überhaupt erst richtig interessant«, ereiferte sich Niklas und überschlug ein paar Seiten. Robert sah ihm an, dass er sich in der Rolle des Lehrers überaus gut gefiel. »Mir selbst ist die mögliche Bedeutung all dessen auch eben erst klar geworden, als du die Sache mit den drei Statuen im Wald angesprochen hast. Oder die Sache mit diesen Grabbeigaben oben in der Katakombe, von denen ihr erzählt habt.«
    »Du meinst diesen Haufen zusammengeworfener Ketten und Amulette in einer der Nischen?« Robert drückte seine Zigarette aus. »Richtig«, Niklas lächelte altklug. »Wenn ihr nämlich mich fragt, verweist all das auf keltische Ursprünge.«
    »Keltische Ursprünge?« Andy richtete sich erregt auf. »Genau daran musste ich letzte Nacht auch denken. Robert, erinnerst du dich nicht mehr an dieses Buch über die Perchten- und Krampusläufe, aus dem du mir unten im Keller vorgelesen hast? Diese Teufelsgestalten stammen doch angeblich von der keltischen Göttin Perchta ab. Gott, was sind wir für Idioten. Niklas hat vollkommen recht. Raunächte, Weihnachtsbräuche, Nikolaus, der Knecht Ruprecht … Das alles bildet hier bei uns ein unheilvolles Gemisch.« Er sah Niklas an. »Jetzt begreife ich auch, was du mit diesem Diana-Vergleich gemeint hast. Du glaubst, dass die Kirche hier bei uns keltische Bräuche übernommen hat?«
    »Hat ja lange gedauert«, stellte Niklas gönnerhaft fest. »Offensichtlicher geht es ja wohl nicht mehr, oder? Überall in der Alpenregion zieht der Nikolaus dieser Tage gemeinsam mit teuflischen Gestalten von Haus zu Haus. Und das ist trotz Christianisierung ein ziemlich seltsamer Brauch, findet ihr nicht? Vor allem gibt sein unheimlicher Begleiter, der Knecht Ruprecht, Rätsel auf. Er ist wie ein Relikt aus uralter Zeit, das selbst die Kirche nicht ausradieren konnte. Ich werde noch auf ihn zurückkommen. Im Moment sollten wir uns erst einmal mit dieser Frau Perchta beschäftigen. Sie scheint mir der Schlüssel zu sein, um zu verstehen, was hier geschieht.«
    »Inwiefern?«, wollte Robert wissen.
    »Nun, Perchta ist dem Buch hier gemäß eine keltische Göttin, die als eine von drei Muttergottheiten hohe kultische Verehrung bei den Kelten genoss. Diese Göttinnen hatten bei den einzelnen Stämmen zwar leicht unterschiedliche Namen, tatsächlich aber waren das immer die gleichen Gestalten. Man kennt sie noch immer als die drei Bethen Ambeth, Wilbeth und Borbeth.«
    »Und Bethe ist jetzt ein anderer Name für Göttin?«, fragte Andy.
    »Ja und nein.« Niklas sah ihn über seine Brille hinweg an. »Bethe bedeutet wohl wörtlich so etwas wie Erde. Sogar das Wort Bett leitet sich davon ab, weil die Leute früher keine Matratzen kannten, sondern auf der Erde schliefen. Und dreimal dürft ihr raten, woher der Begriff ›beten‹ stammt.« Robert und Andy sahen Niklas erstaunt an, der jetzt richtig in Fahrt kam. »Erinnert ihr euch daran, wie der heilige Nikolaus gern dargestellt wird? Ich meine, abgesehen von Bischofsgewand und Stab?«
    »Mit dem Bethenbuch in den Händen, auf dem drei vergoldete Kugeln dargestellt sind«, beantwortete Robert die Frage und spannte sich. »Moment mal. Du willst uns weismachen, dass dieser Begriff Bethenbuch ebenfalls mit diesen Göttinnen zu tun hat?«
    »Richtig!« Niklas nickte heftig. »Einige meinen zwar, damit seien die drei Goldkugeln gemeint, die der heilige Nikolaus bei einer seiner Wundertaten angeblich in das Haus des armen Mannes mit den drei Töchtern warf, um diese vor der Prostitution zu bewahren. Aber hier in Deutschland, insbesondere hier bei uns im Süden, sind das keine Kugeln, sondern Äpfel. Die aber sind in Wahrheit Symbole für diese keltische Muttergöttinnen-Trinität.«
    »Das gibt es doch nicht!«, warf Andy verblüfft ein.
    »Überrascht? Glaubt mir, unser guter Nikolaus entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als regelrechte Wunderwaffe, um altes keltisches Brauchtum im Sinne der Christianisierung umzudeuten.« Niklas hob das Buch auf seinem Schoß an. »Der Autor hier behauptet, dass sich überall dort, wo heute in den Ostalpen Nikolauskirchen stehen, zur Keltenzeit bedeutende Kultplätze befanden.«
    »Du glaubst also«, erhob Robert seine Stimme, »dass es hier in Perchtal ebenfalls so einen keltischen Kultplatz gab?«
    »Na klar!« Niklas stöhnte, als spreche er mit Idioten. »Den ersten Hinweis liefert schon mal der Name unseres Ortes: Perchtal! Und die drei Frauenstatuen im Wald,

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