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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
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Stalker .
    Andrew hatte das selbst gesagt in dem Versuch, sich als kluger Schüler zu erweisen und den Lehrer zu beeindrucken. Doch damit hatte er unwissentlich ins Schwarze getroffen. Er begriff, dass seine Vision von Harness in der letzten Nacht keineswegs ein Traum gewesen war.
    »Wie fühlst du dich, Persephone?«
    »Gut.«
    »Sicher? Spürst du etwas in der Brust?«
    »In meiner Brust?«
    Alle sahen Andrew erstaunt an.
    »Dein Husten«, verteidigte er sich.
    »Alles bestens«, gab sie verärgert zurück.
    »Ich mache mir Sorgen um dich. Du siehst gar nicht gut aus.«
    »Sei nicht albern.«
    »Soll ich fortfahren?«, fragte Dr. Cade.
    Andrew nickte widerwillig. Aber er ließ Persephone nicht aus den Augen und beobachtete jede Veränderung, während er Dr. Cade zuhörte.
    »Hier haben wir den letzten Brief dieser außerordentlichen Serie, datiert auf Juni  1809. Einen Monat später bricht Byron nach Portugal auf. Es ist der leidenschaftlichste Brief, wenn dies das richtige Wort ist. Liebster  … Du fährst also zum SD . Ich weiß nicht, was SD ist. Klingt wie die Abkürzung eines Ortsnamens, aber ich hab in den Dokumenten nichts gefunden, worauf es sich beziehen könnte. ER begleitet dich. Ich weiß es. H hat mir alles geschrieben.Ich werde alle mir verbliebenen Kräfte aufbringen. Ich komme zu dir. Dorthin, wo wir uns einst getroffen haben. Ich werde dich finden, ihn vernichten, und alles wird gut. Du hast das vorausgesehen – sehr gut.« Cade nickte Andrew zu. »Er ist ein Stalker. Ein Stalker aus dem neunzehnten Jahrhundert. Byron hat seine Fehler, aber man kann verstehen, warum er Harness meidet. Die Eifersucht des jungen Burschen treibt ihn buchstäblich in den Wahnsinn. Ich werde Dich finden, ihn zerstören … das lässt nicht viel Raum für metaphorische Interpretationen. Das ist eine Morddrohung.« Cade legte die Lesebrille auf den Tisch. »Dennoch bleiben viele Fragen. Wer ist dieser andere Geliebte? Und wie sind all diese Briefe letzten Endes in Harrow gelandet? Und was ist SD?«
    Persephone murmelte etwas.
    »Wie war das?«, fragte Dr. Cade mitleidslos.
    Persephone hustete wieder.
    »Wasser«, forderte Andrew. »Gibt’s hier etwas zu trinken für sie?«
    »Oben. Der Brunnen«, sagte Lena.
    Andrew rannte die Treppe hinauf; Panik beherrschte sein Denken. Für einen Moment fühlte er sich, als hätte er den Verstand verloren. Persephone war krank. Das wurde ihm schlagartig bewusst. Die Krankheit ergriff in diesem Moment Besitz von ihr. Seine Hände zitterten, als er den Plastikbecher mit Wasser füllte. Er trug ihn vorsichtig hinunter ins Besprechungszimmer. Ja, Persephone war definitiv bleich. Trotzdem saßen alle seelenruhig am Tisch. Natürlich sind sie ruhig. Sie haben nicht gesehen, was ich letzte Nacht gesehen habe, sagte er sich. Er reichte Persephone den Becher. Sie trank dankbar das Wasser.
    »Speech Day«, krächzte sie schließlich.
    »Speech Day?«, wiederholte Dr. Cade. Er warf den Kopf zurück und blickte, als könnte ihm die Decke verraten, was Speech Day bedeutete.
    »Speech Day in Harrow«, erklärte Andrew. »Es ist eine Art Abschlussfeier am Ende des Schuljahres. Einige Schüler aus der Abschlussklasse bereiten Reden vor und halten sie an diesem Tag. Byron und Harness könnten sich an diesem Wochenende getroffen haben wie  … alte Freunde bei einem Klassentreffen.«
    »Du fährst also zum SD «, murmelte Dr. Cade vor sich hin. »Zum Speech Day. Ja, natürlich. Der ist im Sommer, oder?«
    »Anfang Juni. Sie konnten also am Speech Day 1809 in Harrow zusammengekommen sein«, sagte Andrew. »Und bei dieser Gelegenheit haben sie die Briefe ausgetauscht.«
    »Dieses Treffen muss die Hölle gewesen sein.« Cade deutete auf die Briefe. »Nach alldem.«
    Lena schaltete sich ein. »Aber das sind nur Briefe von Harness, da bin ich ganz sicher. Es ist immer ein und dieselbe Handschrift.«
    »Ganz recht. Es gab keinen Austausch . Byron hat alle Briefe, die er von Harness bekommen hat, zurückgegeben«, rief Cade aus. »Sie waren das reinste Gift. Wer wollte so was schon behalten?« Seine Aufregung wuchs. »Und es erklärt die Büchse und die Schnur. Er hätte die Briefe sicher nicht mit einem hübschen Band gebündelt. Und er wollte nicht, dass seine Harrow-Freunde sie sehen. Deshalb hat er die Briefe in einer Keksdose zurückgegeben. Wahrscheinlich hat er die Dose kurz vorher – in aller Eile  – in einem Laden im Ort gekauft. Zum Glück für uns – war die Dose luftdicht!« Cade

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