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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
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hergeholt ist, wenn man ihr Haar ›gülden‹ nennt.«
    Fawkes lächelte betrübt. »Dichterische Freiheit.«Sie hatten einen Plan. Fawkes würde ins Lot zurückgehen und die Akte über Mary Cameron holen. Andrew blieb bei Dr. Kahn und begann, an seinem Essay zu arbeiten.
    »Muss ich diesen Essay überhaupt schreiben?«, fragte er. »Ich glaube, wir wissen jetzt alles.«
    »Wenn sich der Geist eines verstorbenen Mörders im Essay Club zeigt, ist es dir sicher lieber, deine Gedanken klar geordnet zu haben«, wies Dr. Kahn ihn zurecht.
    »Und wie stellen wir sicher, dass Harness kommt?«, erkundigte sich Fawkes.
    »Der Geist scheint keine Schwierigkeiten zu haben, unseren jungen Freund zu finden.«
    »Und heute Abend? Können wir davon ausgehen, dass Andrew hier vor Harness sicher ist?«
    Beide sahen Andrew an.
    »Es scheint, dass er sich zurückgezogen hat – für eine Weile zumindest«, sagte Andrew.
    »Wenn er schlau ist«, meinte Fawkes, »dann hat er sich in einem Schlupfwinkel verkrochen und bereitet sich auf die große Schlacht vor.«
    »Er ist schlau«, gab Dr. Kahn grimmig zurück.
    »Und Sie haben vor, andere – die lebenden Mitglieder des Essay Clubs – dazu einzuladen?«
    »Ich verschicke eine E-Mail und berufe eine außerordentliche Sitzung wegen eines Notfalls ein.«
    Fawkes lachte. »Das wäre der erste Notfall-Essay der Geschichte.«
    »Ich bin die Vorsitzende des Clubs. Ich entscheide, wann eine außerordentliche Sitzung notwendig ist.«
    Andrew war weiterhin unschlüssig. »Glauben Sie, das reicht aus?«
    »Ich werde die E-Mail mit dem Vermerk ›höchste Priorität‹ versehen.«
    »Ich meine, für Harness.«
    Sie tauschten Blicke aus.
    »Um Persephone willen sollte es besser genügen«, sagte Fawkes. »Und wo, zum Teufel, treibt sich Father Peter herum?« Er überprüfte seine Handy-Nachrichten. »Immer noch kein Rückruf. Keine SMS. Ich habe ihm praktisch stündlich eine Nachricht zukommen lassen.«
    Fawkes verließ das Haus und zog den Reißverschluss seiner Jacke zu. Erst als er den Kopf hob, merkte er, was passiert war, seit sie hinter Sir Alan die Haustür zugemacht hatten: Die ruhige Straße – ein paar Cottages mit vielen Bäumen – war in Weiß gehüllt. Es herrschte Stille. Dichte Nebelschwaden zogen über die Dächer und stießen herab wie große Wolkenfäuste. Das Licht der Straßenlaternen war gedämpft; die Motorengeräusche der Autos kamen von weit her unter dieser Dunstglocke. Sich in diese dicke Suppe zu wagen schien plötzlich der reine Wahnsinn zu sein.
    Ein niedriger Instinkt riet Fawkes: Kehr um. Geh ins Haus und trink einen Tee. Er blieb stehen und zog in Erwägung, diesem Drang zu folgen. Dann schüttelte er sich. Was sollte er sagen? Dass er es sich wegen des Wetters anders überlegt hatte? Nein, das war absurd. Er machte sich mit langsamen, umsichtigen Schritten auf den Weg.
    An der nächsten Kreuzung atmete er auf. Da waren mehr Häuser, Außenleuchten, erhellte Fenster, flackernde blaue Fernsehschirme. Zielstrebiger ging er den Hügel hinauf. Doch schon bald kamen ihm die Häuser fremd vor. Zweifel keimte auf. War das wirklich der richtige Weg?War er irgendwo falsch abgebogen? Und wenn er sich in einem Ort, den er so gut kannte, verlaufen konnte … war das beabsichtigt? Hatte John Harness den Nebel heraufbeschworen? All der Regen und die Nässe der vergangenen Monate. Es schien, als hätte Harness – falls er dafür verantwortlich war – ganz Harrow in einen seiner schwammartigen, verseuchten Lungenflügel verwandelt. Hatte er die Feuchtigkeit und Krankheit, die Klaustrophobie und die Schrecken vor seinem eigenen Tod durch die Tuberkulose über sie gebracht?
    Man liest über diese Krankheit in vergangenen Zeiten, dachte Fawkes, aber man stellt sich kaum vor, wie sich die Betroffenen gefühlt haben, wie das Ende für sie war, was sie durchlitten, wenn sie keine Luft mehr bekamen und ihnen das Blut aus dem Mund tropfte. Sein Blick huschte hin und her. War Harness jetzt hier? Benutzte er den Nebel, um sich zu verstecken? Andrew hatte angedeutet, dass Roddy und Rhys etwas im Zimmer gespürt hatten, als Roddy zusammengebrochen war. Harness? Der gefühlskalte, jahrhundertealte Geist? So gern Fawkes Andrew helfen würde, so etwas wollte er nicht sehen. Nicht mit eigenen Augen. Die Kälte des Nebels kroch in seine Kleider, legte sich um seinen Hals und brachte ihn zum Frösteln. Er machte die Jacke bis oben hin zu.
    Endlich erreichte Fawkes eine vertraute

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