Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
Vom Netzwerk:
Straßenecke. Er hatte sich nicht verirrt. Dies war die High Street – Gott sei Dank. Dennoch hellte sich seine Stimmung nicht auf. Auch hier trübte Dunst die Lichter der Laternen und Fenster. Seine morbiden Gedanken blieben. So sieht ein Toter unsere Welt, stellte er sich vor und dachte sofort an Persephone. Er hatte Andrew Mut gemacht, was sie betraf, aber jetzt, ganz allein auf der Straße, ängstigte er sich umsie. War sie wirklich so krank? Sir Alan schien außer sich vor Sorge zu sein. Vielleicht hauchte sie gerade in diesem Moment in einem Krankenhauszimmer ihr Leben aus. Und wenn sie allein starb? Die Furcht vor dem Ende – sie packte ihn mit weißen Fingern. Er fing an zu laufen und rannte durch das Lot-Tor. Er war fast zu Hause.
    Eine Gestalt kam ihm auf der Auffahrt entgegen. Dunkel, massiv, behände.
    »O mein Gott!« Fawkes wich zurück und hob abwehrend die Hand.
    »Piers? Sind Sie das?«, ertönte eine Tenorstimme.
    Fawkes nahm sich zusammen. Er war ein Narr, sich so zu erschrecken. »Wer ist das? Du solltest im Haus sein«, schimpfte er in der Annahme, einen Schüler aus der Abschlussklasse vor sich zu haben.
    »Ich bin’s, Father Peter«, sagte der Schatten und kam näher. Fawkes machte die Nickelbrille des Geistlichen, den dünnen Hals und den Priesterkragen unter dem Regenmantel aus. »Ich komme direkt vom Bahnhof.«
    »Wo waren Sie? Ich habe versucht, Sie zu erreichen«, sagte Fawkes gereizter als beabsichtigt.
    Father Peter riss die Augen auf. »Wirklich?« Er kramte in seiner Tasche und fischte ein glänzend neues Handy heraus. Das Licht des Displays färbte den Nebel um sie herum bläulich weiß. »Das hat mir meine Frau geschenkt.« Der Kaplan schaute betrübt auf das Display. »Ich habe noch nicht gelernt, damit umzugehen.« Er drückte auf eine Taste, als könnte er sich so dieses Telefon untertan machen.
    »Kommen Sie mit rein«, bot Fawkes erleichtert an und legte eine Hand auf die Schulter des Geistlichen. »Ich bin froh, dass Sie hier sind.«

24

Eine durchwachte Nacht
    Sir Alan stand in der Tür des Krankenzimmers. Für einen Augenblick wandte er den Blick von Persephone und richtete ihn auf seine Frau.
    Dankbarkeit durchflutete ihn. Zum Glück musste er dies nicht allein ertragen. Eindrucksvoll: ihr Rückgrat gerade wie immer  – sogar auf diesem unbequemen Besucherstuhl; glänzender Goldschmuck auf der nach den morgendlichen Bädern im Meer auf Ydra oder einer der anderen Inseln in der Nähe von Athen gebräunten Haut; klassisches griechisches Profil; graue Fäden im schwarzen Haar (während er fast keines mehr auf dem Kopf hatte) und natürlich makellos gekleidet mit einem knielangen Rock und perfekt gebügeltem Pulli. Sie brachte Ordnung und den Duft nach Blumen in den Trübsinn und das Chaos dieser Station. Am liebsten wäre er zu ihr geeilt, um sie zu umarmen, zu küssen und mit ihr zu weinen. Aber er wusste, was dann geschehen würde. Sie würde ihn abwimmeln wie einen unwillkommenen, lästigen Vertreter an der Haustür. Groll würde sich zwischen sie drängen und sie auseinandertreiben.
    Alan hatte sie immer begehrt. Er hatte sie wegen ihrer exotischen Erscheinung und ihres Stils geheiratet. Woher hätte er wissen sollen, dass Griechinnen ihrer Generation so gottverdammt keusch waren und ein Leben führten wie Dreizehnjährige; dass sie mit Freundinnen kicherten und bei den vielen Familientreffen aufblühten; dass sie sich ständig zum Tee und zu Einkaufsbummeln verabredetenund ihre Männer behandelten wie Jungs auf dem Schulhof ? Aber die Vines gehörten nicht zu der Sorte, die sich professionellen Rat suchten; Alan hätte beinahe laut gelacht, als er sich seine Frau auf der Couch eines Psychologen vorstellte. Sie hatte keinen Elektra-Komplex. Sie war Elektra. Groß, vollbusig mit einer Neigung zu Temperamentsausbrüchen. Selbstanalyse war den Griechen ziemlich fremd. Alan und seine Frau hatten sich im Laufe der Zeit einfach immer mehr voneinander entfernt. Und wenn sie sich jetzt begegneten, attackierten sie sich wie alte Feinde.
    »Du solltest auch einen Mundschutz tragen«, mahnte er.
    Lady Alcina Fidias Vine drehte sich trotzig zu ihm um. »Ich trage keinen Mundschutz.« Ihr Akzent war deutlich nach dem monatelangen Aufenthalt in Griechenland. »Diese Ärzte haben keine Ahnung, wovon sie reden.«
    Sir Alan konnte sie nur bewundern – diese Art, wie sie die Aufgeblasenheit von Autoritäten zunichtemachte. Aber er musste in dieser Situation seine Pflichten

Weitere Kostenlose Bücher