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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
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zielgerichtet und unausweichlich. Andrew spürte sie, als er sein Manuskript an sich drückte, sich seitwärts an Christelow vorbeizwängte, Fawkes mit einem Nicken begrüßte und Father Peter mit hochgezogenen Brauen zur Kenntnis nahm. Die ganze Zeit hörte er Toombs’ Stimme  – da bist du ja; sehr nett, dass du gekommen bist. Andrew, ich habe gerade gesagt, wiewenig Zeit du für die Vorbereitung hattest –; sie klang, als käme sie vom obersten Schiffsdeck und als würde Andrew selbst ins dunkle Wasser sinken.
    Irgendwo inmitten der Schüler stand Dr. Kahn, betrachtete ihn aufmerksam und mitfühlend.
    Andrew setzte sich, ohne den Kopf zu heben. Auch seine Mitschüler ließen sich nieder. Mr. Toombs machte höfliche Bemerkungen, sagte so etwas wie Schwanengesang, sehr traurig, dass du uns verlässt, dabei lernen wir dich doch gerade erst richtig kennen, und wir waren so froh, dich bei uns zu haben. Andrew war erstaunt, als ein, nein zwei Stimmen murmelten: Hört, hört . (Wallace und Antoniades. Unerwartet.) Aber wenigstens kommen wir in den Genuss, uns deinen Essay anzuhören … ein großes Glück …
    Mr. Toombs verstummte, um dem Redner des Abends das Feld zu überlassen. Andrew legte sein Manuskript so, dass möglichst viel Kerzenlicht darauf fiel.
    Er konnte nicht aufschauen, sonst würde er Harness sehen.
    Harness war da.
    Sein Puls raste. Was würde passieren. Wenn er ihn anschaute? Wenn er diese Augen begrüßte? Auf wessen Stuhl saß Harness? Auf dem leeren schräg links?
    Du weißt, wessen Stuhl das ist.
    Jetzt war er froh, dass er seinen Vortrag ordentlich ausformuliert hatte, statt sich lediglich Stichworte zu notieren  – Dr. Kahn hatte recht gehabt –, denn ohne Manuskript wäre er verloren. Sein Verstand war benebelt. Der Schlafmangel machte sich bemerkbar.
    Und diese Präsenz.
    Es war, als stünde er an einem Abgrund und kippte nach vorn.
    Auf die Gestalt, geduckt und bereit zuzuschlagen.
    Harness –  das wusste er  – funkelte ihn an. Harness’ Empfindungen hatten nichts mehr mit Liebe, Lust oder Sehnsucht zu tun. Ihn beseelte reiner Hass. Harness wusste, dass Andrew, Fawkes und Father Peter hier waren, um gegen ihn zu kämpfen. Der Raum stank danach. Der Moschus einer Schlacht. Und Harness warf sich in die Brust und lockerte seine Muskeln.
    Wage dich nicht näher, wenn du dich zeigst zerschmettere ich dich
    ich weiß, du bist hier um mich auszulöschen, aber ich habe Reserven und du unterschätzt meine wilde Entschlossenheit nicht, dazu kennst du mich zu gut.
    Hast du nicht gesehen, was ich mit dem Mädchen und deinem Freund gemacht habe?
    Wie konnte Andrew angesichts dieser Feindseligkeit weiterhin Normalität vortäuschen? Doch neben ihm saß Mr. Toombs mit seinen geröteten Wangen, der Brille und den erwartungsvollen Augen. Fühlten Mr. Toombs und die anderen auch etwas? Wie konnte Andrew in einer solchen Umgebung laut vorlesen? Das wäre fast, als würde jemand Violine in einem rasenden Zug spielen. Ihm war übel. Am liebsten hätte er sich davongeschlichen und sich schlafen gelegt.
    Andrew hatte die Morgendämmerung beobachtet und seinen Essay abrupt beendet. Er ging in sein Zimmer im Lot, um seine Sachen zu packen. Anschließend legte er sich aufs Bett und dachte an Persephone, versuchte sich auszumalen, was der nächste Tag ihr –  ihnen beiden  – bringen würde, aber es gelang ihm nicht, seine müden Gedankenin die Zukunft zu richten. Dieser quälende Zustand dauerte bis nachmittags an, als ihn das Lampenfieber packte und er hektisch die letzten Seiten seines Essays noch einmal tippte. Ausdruckte, bündelte. Dann endlich döste er ein  … o Scheiße  – schreckte auf und rannte um vier Minuten nach sieben den Hügel hinunter.
    Die Wahrheit über den Lot-Geist.
    Lord Byron, las er, verliebte sich 1801 in John Harness, als Letzterer das war, was wir in Harrow einen Remove nennen.
    Die Präsenz schwoll an. Die anderen mussten sie spüren, davon war er überzeugt. Er glaubte, aus den Augenwinkeln zu beobachten, dass Fawkes unruhig auf seinem Stuhl hin und her rutschte, und Dr. Kahn zog ihren Schal fester um die Schultern, als wäre ihr plötzlich kalt geworden.
    Andrew las mechanisch. Homosexuelle Liebe in Harrow. Lord Byron und John Harness. Ihre Liebesbriefe. Die Eifersucht, die sexuelle Ausplünderung. Die Wonnen in Cambridge.
    Andrew war sich des Unbehagens seiner Klassenkameraden bewusst. Insbesondere Askew wand sich auf seinem Stuhl und suchte aufgeregt den Blick

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