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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
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sich den Staub aus den Kleidern. (Die Zuschauer kicherten über diesen Gag, der den Moment entschärfte.) Er stieg von der Bühne. Die Scheinwerfer richteten sich auf ihn. Das Publikum im Speech Room verstummte und war bereit, den Schauspielern ein letztes Mal die ganze Aufmerksamkeit zu widmen. Im Mantel der Dunkelheit zitierte Lord Byron in ruhigem, neutralem Ton die letzten Verse:
    Das Dinner und auch die Soiree waren vorbei,
    Das Supper besprochen, die Damen bewundert.
    Byron zwinkerte dem Publikum links vom Mittelgang zu, als wären ihm einige verführerische Mädchen im Laufe des Abends
     aufgefallen. Doch er ging weiter.
    Die Gäste waren einer nach dem anderen gegangen –
    Die Musik verstummt.
    Und der Tanz … zu Ende.
    Er ließ seinen Blick noch einmal durch den Saal schweifen. Dann drehte er sich um und ging langsam zurück zu seinem Platz auf der Bühne inmitten der griechischen Soldaten. Der Offizier beobachtete ihn besorgt.
    »Die letzten Frauenzimmer sind verschwunden  – weg«, sagte Lord Byron mit einer matten Geste. »Wie ziehende Wolken am Himmel. Und nichts mehr glänzt in dem Salon …«
    Die Scheinwerfer beleuchteten die Szene.
    »Das Sterben neigt sich dem Ende«, sagte er verträumt und ergab sich dem Tod.
    Das Licht schwand … und ging aus.
    Der Applaus im Speech Room war freundlich, sogar warmherzig, aber Fawkes, der in der letzten Reihe saß, fragte sich, ob der Beifall eher ein erleichtertes Aufatmen darstellte. Piers Fawkes hatte das Publikum nicht mit drastischer Sprache oder ordinären Anspielungen schockiert, um die Großmütter im Publikum zu schonen. Nein, für Fawkes’ Verhältnisse war das Stück eher eine konservative Angelegenheit, passend zu dem dünnen Taschenbuch, das auf einem Tisch im Korridor ausgelegt war. Auf dem Cover war ein Ölgemälde von Byron abgebildet, und quer darüber stand Das Fieber von Messolonghi (ein Titel, den Fawkes inzwischen verabscheute), in Schreibbuchstaben, die das Flair der Tintenschrift des neunzehnten Jahrhunderts vermitteln sollten. Tomasinas Idee. Sieben Pfund neunundneunzig, herausgegeben von Barking Press und mit einem Klappentext von Andrew Motion versehen. Alles in allem nicht schlecht. Dennoch sank Fawkes in einem Sportsakko tiefer in seinen Sitz. Obwohl er als Ehrengast bei einem Umtrunk mit dem Vorstand in Colin Jutes Büro teilgenommen hatte, war dies ein Abend für dieDarsteller, und die Zuschauer hatten das mit ihrem Applaus unterstrichen. Jubel für die dreizehnjährigen griechischen Soldaten und den komischen Unteroffizier mit dem ausgestopften Bauch (Fawkes konnte nicht umhin, ihm Beifall zu spenden. Er mochte seine eigenen Scherze, und die Vorstellung des Jungen war wirklich gewinnend gewesen); wohltuender Applaus für Hugh; Bravorufe für die Ladys, insbesondere für die streitsüchtige Lady Melbourne, die sich unerwartet als Publikumsliebling erwiesen hatte.
    Doch Lord Byron erntete den größten Jubel. Er stand jetzt vorn –  sein lockiges Haar glänzte vom Schweiß  – und genoss den Applaus. Ein Teil des Publikums stand auf und klatschte enthusiastisch, Sir Alan Vine und die Headlands-Bewohner eingeschlossen; Mädchen kreischten ohrenbetäubend. Byron machte eine Geste, als wollte er sich die Kleider vom Leib reißen. Die Jungs johlten; unsicheres Lachen folgte. Byron errötete und knöpfte sich scheu die Uniformjacke auf; der Effekt war mäßig, da Persephone Vine darunter natürlich noch ein Hemd trug und ihre Brüste mit einem festen Sport-BH gebändigt hatte; selbst sie würde den dreihundert Eltern und Schülern im Speech Room ihren Busen nicht zeigen.
    Fawkes sah ein Paar mittleren Alters eine Reihe vor ihm. Die Frau beugte sich vor und sprach mit einer anderen. Fawkes las von ihren Lippen ab und erriet den Rest ihrer Frage: Ich weiß, dass es in Wirklichkeit ein Mädchen ist. Aber wer ist sie? Was hat diese Aufregung zu bedeuten? Die Antwort konnte er verstehen: Sie ist eine von denen, die infiziert waren. Sie und ein anderer Junge haben überlebt. Die Frau schüttelte gerührt den Kopf –  kaum zu glauben, das arme Kind   – und klatschte heftig. Fawkeshatte genug. Er zwängte sich geduckt durch die Reihe zum Hinterausgang und trat in die Dezembernacht.
    Er wusste nicht so recht, was er jetzt mit sich anfangen sollte. Richtig wäre, wenn er bliebe, sich unters Volk mischte und seinem Gastgeber und ehemaligem Vorgesetzten danken würde. Doch dann müsste er auch eine peinliche Verabschiedung über sich

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