Weißer Teufel
Irgendwie gelingt es Byron, eingeladen zu werden, mit dem Conte und der Contessa Guiccioli in ihrer Villa in der Nähe von Ravenna zu leben, und als erwachsener Mann streunte er im Haus und Anwesen herum wie ein Teenager,um Plätze zum Knutschen zu finden, an denen er nicht erwischt werden konnte. Ihr versteht sicher, warum er sich danach für das politische Martyrium entschied. Er floh nach Griechenland, um für die Freiheit der Griechen zu kämpfen. Dort finden wir ihn. Er liegt todkrank auf seinem Lager. Wo ist unser Rüstungsoffizier? Hugh!« Hugh kam auf die Füße. »Der Prolog, wenn ich bitten darf.«
Hugh räusperte sich und begann mit klarer, tönender Stimme. Andrew beobachtete ihn und verstand, warum sich die anderen im Lot über ihn lustig machten; der Junge hatte dichte, lange Wimpern. runde Wangen mit Sommersprossen – das Bild eines verführerischen Chorknaben. Hugh begann selbstbewusst und mit einem affektierten Cockney-Akzent. Schweigen senkte sich über die Zuhörer.
Erfahren in meiner eigenen Zunft, der Zerstörung –
Meine Werkzeuge sind Dynamit, Nitroglyzerin –,
Hätte ich nie gedacht, einmal Gefährte wahrer Größe zu sein.
Dennoch liegt hier Lord Byron, den sogar ich, der ich nicht belesen bin, kenne.
Meine liebe Mutter, der ich schrieb und von ihm erzählte, ermahnte mich, ihm fernzubleiben.
(Dann stellte sie mir viele Fragen – ist er so hübsch, wie man sagt?
Hat er einen Klump- oder einen Pferdefuß? Sieht man ihm die Verdorbenheit an?
Oder strahlt er in äußerlicher Perfektion wie der Feind Gottes?) Sie fragt nicht nach seiner Poesie.
Ich sage ihr nicht, dass wir uns einen Nachttopf teilen.
Byron lässt sich herab, mein Kamerad zu sein.
Er erzählt Geschichten aus dem Orient und von den Verbrechen des Lord Elgin.
Er trinkt, bis ihn der Wahnsinn erfasst (dann zitiert er sich selbst ausführlich).
Er warnt vor Donne Italiane und achtet selbst hier auf sein Gewicht.
Besser: Er tat es. Jetzt ist er krank. Und es ist ein jämmerliches Krankenlager:
In einem Bunker, umgeben von Sumpf, Moskitos, Türken.
Ich wische seine Stirn ab. Wir warten auf einen Arzt.
Wir warten auf alles. Schießpulver, Kugeln. Trockennahrung, sauberes Wasser.
Wenn er bei Bewusstsein ist, nutzt er die Zeit für seine Beichte.
Befreit sich von seinen Lebensgeheimnissen, um einen leichteren Übergang ins Jenseits zu haben.
Meine Mutter rät mir, ihm nicht zuzuhören, damit ich nichts Unziemliches lerne: wie man wie einen Baron liebt.
Einen Palast und die Gosse nach neuen Eroberungen absucht, einem Ehemann Hörner aufsetzt.
Doch sogar die Verdorbenen und Steinreichen verdienen Freunde an der Schwelle zum Tode.
Ich werde selbst, in diesem kleinen Theater –
Ein Rechteck aus kaltem Mörtel, mit Feuchtigkeit, die in die Ecken kriecht –
Von den Taten eines Helden hören, aus seinem eigenen Munde.
Warum sollte er mir irgendeine demütigende Wahrheit ersparen?
Sein Gesicht wird wächsern. Seine Tage sind gezählt. Er spricht.
Plötzlich wirbelte Fawkes – mit traurigen, hervorquellenden Augen – zu Andrew herum. Die Blicke aller richteten sich auf ihn. Ihm wurde heiß. Er hielt die Seiten des Skripts so fest, dass sie in seinen schweißnassen Händen wellig wurden, und begann zu lesen.
Die aufgeregte Gruppe drängte sich durch den schmalen Flur vor dem Speech Room hinaus. Das Stück war ausgelassen, lustiger, als sie es erwartet hatten. Die Schauspieler mochten ihre Rollen, jeder Beteiligte glaubte insgeheim, dass sein Part am besten war – angefangen von der nervösen, dünnen und pickeligen Lady Caroline Lamb bis zu dem großgewachsenen, ehrlichen Athleten, der als Hobhouse, Byrons bester Freund, vorgesehen war. Andrew hatte sich ziemlich gut geschlagen. Obwohl James Honey ihn zweimal in Verlegenheit gebracht hatte, als er ihn vor versammelter Mannschaft darauf hingewiesen hatte, dass er noch an seiner Sprechtechnik und an seiner Aussprache arbeiten müsse – Lord Byron kann nicht aus Connecticut stammen –, hatte Hugh ihn hinterher gelobt, dass er echt nicht so schlecht gewesen sei. Nachdem sie den ersten Akt gelesen hatten, stürmte Andrew zusammen mit allen anderen aus dem Saal. Doch dann blieb er stehen und wartete im Dunkeln. Er lauschte auf den tosenden Wind draußen, sah, dass gelbes Laub um kahle Äste tanzte, und hörte, wie der Regen auf das Haus prasselte. Endlich tauchte Persephone auf. Sie blieb kurz stehen, als sie ihn entdeckte. Sie stand im Licht, er im
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