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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
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getötet wurde«, bekannte Andrew im Flüsterton, obschon niemand da war, der sie belauschen könnte. »Er wurde erwürgt.«
    »Was?« Ihre Blicke musterten ihn eingehend. Aber er schien aufrichtig zu sein. »Von wem?«
    »Von … diesem Typen.«
    »Hast du der Polizei davon erzählt?«
    »Nein.«
    »Warum, um alles in der Welt, nicht, Andrew ?«
    »Weil …« Er verdrehte die Augen und lachte unsicher. »Weil der Mörder verschwunden ist.«
    »Verschwunden.«
    »In einer Sekunde war er da, in der nächsten nicht mehr.«
    Beide schwiegen einen Moment.
    »Bindest du mir einen Bären auf, Andrew ?«
    »Ich wünschte, es wäre so.«
    »Also siehst du Dinge.« Ihr Ton war spröde, distanziert. »Warst du schon bei Dr. Rogers deswegen?«
    Er schnaubte. »Wieso? Weil ich krank sein muss?«
    »Ich meine nur …«
    »Und was, wenn es Dinge gab, die man sehen konnte?«, fuhr er hitzig fort. »Bin ich dann auch noch verrückt? Vergiss es. Ich dachte, du würdest mich verstehen. Offensichtlich hab ich mich geirrt.«
    Persephone dämmerte, dass sie ihm vor wenigen Minuten vorgeworfen hatte, wie alle anderen zu sein und zu glauben, was man ihm auftischte. Im Grunde sollte dies ihr Terrain sein. Sie atmete tief durch.
    »Ich versuche zu helfen«, entgegnete sie. »Ich werde kein Urteil fällen. Erzähl weiter.«
    »Ist das dein Ernst?«
    »Ich schwöre.«
    Andrew ging zu dem Sessel. Er musste sich hinsetzen.
    »Ich hab den Typen noch mal gesehen«, sagte er.
    »Noch mal? Hier in der Schule? Wer ist er?«
    »Im Lot«, sagte er und sah sie mit hochgezogener Augenbraue an. »Er wurde schikaniert. Er war Schüler hier – vielleicht vor langer, langer Zeit.«
    »Vor wie langer Zeit?« Persephones Augen wurden größer, als sie begriff, worauf das alles hinausführte. »Moment … du glaubst, einen Geist gesehen zu haben?«
    »Etwas muss ihm passiert sein«, fuhr Andrew fort. »Er war normal. Oder sah zumindest so aus, als ich ihm im Lot begegnet bin. Aber vorher, mit Theo …« Andrew runzelte die Stirn. »Er war ausgemergelt wie eine … Leiche.«
    Andrews Augen glänzten, grau, arktisch, um Hilfe flehend. Irre oder nicht, dieser Junge ist vollkommen allein, machte sich Persephone klar. Er hat niemanden, er ist viele Meilen von zu Hause und allen, die er kennt, weg, und du klagst ihn an, schalt sie sich. Sie kam zu ihm und kauerte sich vor ihn hin, legte behutsam eine Hand auf seine Schulter, um ihn zu trösten. Sein durchnässtes Jackett fühlte sich kalt an.

7

The Wolf May Prey The Better
    In dieser Nacht schauderte Andrew unter der Bettdecke. Der Regen schien bis auf seine Haut gedrungen zu sein und dort zu verharren. In dem Moment, in dem er Persephone das Geständnis abgelegt hatte, spürte er, wie die Kälte nach ihm griff. Als wäre sie eine Bestrafung, eine Warnung. Er verdrängte den Gedanken. Das war paranoid, krank. Doch seine Träume waren, als er endlich einschlief, fiebrig. Und als er später im Dunklen aufwachte, war er von dumpfer Angst erfüllt.
    Im Haus war alles still. Der Tag war noch nicht angebrochen.
    Andrew horchte. Nichts. Aber plötzlich – war er schon die ganze Zeit da gewesen? – entdeckte er einen Schimmer unter seiner Tür. Er starrte das Licht lange an. Sein Puls raste. Das Licht hatte die falsche Färbung, es war zu warm für die Flurlampe. Könnte es ein Feuer sein? Schließlich wurde ihm klar: Je früher er herausfand, was es war, umso schneller konnte er wieder schlafen. Trotz der Alarmglocke, die in seinem Kopf schrillte, stand er auf. Das kalte Linoleum klebte an seinen Füßen, als er die Tür aufmachte.
    Vor seiner Tür stand eine brennende Kerze in einem Halter. Sie war die Quelle des weichen, orangefarbenen Lichts. Wie ein Angebot. Eine Einladung.
    Er schaute nach links und nach rechts. Keine Schritte. Kein Kichern. Er bückte sich, um die Kerze aufzuheben, und trat dabei über die Schwelle.
    Andrew taumelte.
    Vor seinem Zimmer breitete sich ein großer Schlafsaal mit Betten mit zerknüllten Decken aus  – Dutzende in windschiefen Reihen. In den Betten lagen Gestalten. Betten und Gestalten in einem großen, etwa zehn Meter langen Raum. Andrew fürchtete, in eine schreckliche Mordszene gestolpert zu sein, doch dann vernahm er ein Geräusch. Atemzüge, Stöhnen, Schnarchen. Er drehte sich hastig um. Die Tür zu seinem Zimmer war nicht mehr da. Stattdessen sah er eine Reihe Fenster mit zerschlissenen Vorhängen.
    Er wandte sich wieder um. Am Ende des Schafsaals sah er ein

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