Weißer Teufel
Fawkes war einst einflussreich, und jetzt, da er gefallen ist, fühlten sich die Menschen berechtigt, auf ihm herumzutrampeln.) Nachdem die Besetzung des Byron-Stückes festgelegt war, hatten alle Beteiligten die Gedichte gelesen. Sie hielt nicht fiel davon. Reiner Schund.
»Wirklich?«, sagte Andrew. Er erlaubte sich einen Blick auf Persephone. Sie redete noch immer gestikulierend mit dem Rothaarigen, allerdings spähte sie zu Andrew. Adrenalin strömte durch seine Adern. Sie wandte sich rasch ab.
»Szenen aus seinem Sexleben«, führte das Mädchen mit dem kurzen Rock aus. »Seine Reise durch Amerika. Sind amerikanische Mädchen echt so?«
»Wie?«
»Du weißt schon – sie lassen sich von Zwillingen im Bad einseifen.«
Andrew riss die Augen auf.
»Ein Gedicht hat den Titel Thirteen Ways of Buggering a Black Bird .« (Dreizehn Arten, ein schwarzes Vögelchen zu bumsen.)
»Wow«, sagte Andrew und sah den jüngeren Piers Fawkes lüstern grinsend wie einen Satyr vor sich. Es war leicht, sich das vorzustellen.
»Er reitet den Scherz mit dem Vogel zu Tode. Die Mädchen haben Vogelnamen – Robin, Jewess, groß mit weißen Zähnen/fußelnd; hab sie gevögelt, bis sie auf dem Zahnfleisch ging. « Sie wurde rot. »Ekelhaft. Und rassistisch.«
»Trotzdem scheinst du die Gedichte genau gelesen zu haben.«
»Na ja.« Sie warf den Kopf zurück. »Er hat das Stück geschrieben.«
»Wer bist du?«, wollte Andrew wissen.
Sie begegnete seinem Blick. »Ich bin deine Frau.«
Andrew blinzelte, erholte sich aber. »Ich meine, im wahren Leben.«
»Was ist der Unterschied?« Sie bedachte ihn mit einem dramatischen Blick, dann lachte sie und warf wieder den Kopf zurück. Sie flirtete. Es funktionierte. Andrew kreuzte die Beine. Er hoffte, dass er nicht so schnell aufstehen und vorlesen musste. Jetzt spürte er Persephones Anwesenheit deutlich – sein Hinterkopf wurde heiß, als würde die Sonne auf ihn niederbrennen.
»Rebecca.« Sie streckte ihm ihre schlanke warme Hand hin.
Er ergriff sie. »Andrew.«
Die Tür flog auf. Piers Fawkes hielt sie mit seinem Hinterteil auf; er hatte einen Riesenstapel fotokopierter Skripte in den Händen und las die oberste Seite im Gehen. Honey räusperte sich. Fawkes schaute auf, zuckte theatralisch zurück und erntete damit Gelächter von der Theatergruppe. Dann marschierte er mit flatternder Robe zu den Sitzreihen und ließ James Honey unbeachtet auf der Bühne stehen. Honey wartete darauf, dass jemand Notiz von ihm nahm, dann stieg er murrend vom Podium und stellte sich Fawkes zur Seite. Die Schauspieler versammelten sich um Fawkes, holten ihre Kopien ab, nahmen ihre Plätze wieder ein, um ihre Nasen in die Seiten zu stecken.
»Heben Sie eine für mich auf, Piers«, rief Honey. »Ich bin ja nur der Regisseur.«
Rebecca bahnte sich einen Weg zu ihrem Platz und brachte ein Skript für Andrew mit. Er beobachtete, wie Persephone an ihm vorbeiging, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
Rebecca entging nichts. »Du kennst Persephone Vine?«, fragte sie leise.
»Ja.«
»Hm«, machte Rebecca geziert. »Sie kennt jede Menge Jungs.«
Andrew schreckte ein wenig zurück, genau wie es Rebecca beabsichtigt hatte. Er sah, dass Persephone mit dem Rotschopf plauderte.
»Ich weiß, dass ihr Vater hier unterrichtet«, fuhr Rebecca fort. »Welch eine Ironie. Ausgerechnet sie besucht eine reine Knabenschule .« Den letzten Satz äußerte sie lauter als nötig, Persephone stand keine drei Meter weit weg, und sie fuhr ihre Antennen aus. Den Rest ihrer kleinen Ansprache richtete Rebecca direkt an Andrews Ohr. Das Flüstern reizte seine Nerven, und er hatte Mühe, sich nicht vor Wonne zu winden. »Sie hat mit halb London geschlafen«, wisperte sie. »Ihr Spitzname ist Thumper. Wie der des Kaninchens.« Rebecca rückte ab und verzog angewidert das Gesicht. »Verstehst du?«
Andrew keuchte ein wenig nach dem sinnlichen Angriff und lechzte nach mehr, ihm blieb jedoch keine Zeit, diese Sache weiterzuverfolgen. Fawkes stand vor den Schülern und wartete, dass Ruhe eintrat.
»Dies ist mein Abend«, verkündete Fawkes. »Nach heute wird es Bewegung … Emotionen … Brutalität … und Gewalt geben – all das fällt in James’ Fach.« Sie lachten. Honey schnitt eine Grimasse. »Aber heute geht es nur um Worte, Worte, Worte. Wir werden den ersten Akt lesen.Ihr haltet ihn in den Händen. Übrigens, wir haben endlich einen Titel gefunden. Wir sprechen nicht mehr vom ›Stück über Byron‹. Jetzt
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