Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
Vom Netzwerk:
Flackern.
    Noch eine Kerze, deren Schein in einem Flur verschwand.
    Gerüche stiegen ihm in die Nase. Er schreckte zurück. O Gott, was für ein Gestank! Urin, durchgeschwitzte Klamotten, modernde Matratzen, abgestandene Asche und Zigarettenrauch. Ein Geruch übertönte alle anderen. Er war schwer zu identifizieren: würzig, heuartig und gleichzeitig beißend. Was war das? Ein Quietschen aus einer Ecke gab die Antwort. Rattenscheiße. Er sah die Schatten. Jede Menge Ratten schnupperten und drängten sich zu haarigen Klumpen zusammen, ihre Krallen verursachten klickende Laute auf dem Dielenboden.
    Andrew konnte nicht mehr zurück. Er hatte keine Lust, in Unterwäsche in dieser rattenverseuchten Kälte herumzustehen. Er nahm den Kerzenhalter, schützte mit der Hand die Flamme und durchquerte den Raum, um dem Kerzenschein nachzugehen. Wer immer dort auch sein mochte – und Andrew konnte nur raten –, beabsichtigte augenscheinlich, dass er folgte.
    Andrew lief auf den Flur am anderen Ende des Schlafsaals.Er führte zu einer Treppe mit einem Geländer aus massivem Walnussholz und flachen, knarrenden Stufen. Die Gestalt muss hier hinuntergegangen sein. Andrew tat es ihr gleich. Nach einigen Treppenabsätzen kam er zu einer Tür. Unheildrohend mit einem verbeulten Messingknauf. Er öffnete die Tür. Wegen der Feuchtigkeit glatte Steinstufen führten abwärts. Andrew wagte sich einen Schritt vor. Die Temperatur fiel.
    Er nahm vorsichtig die Stufen und fand sich in einer runden Kammer wieder, die aus dem soliden Felsen gehauen war. Die Wände waren rau und zerklüftet. Wasser sickerte aus einem Dutzend Löcher, die in die Wände geschlagen worden waren. Das Wasser sammelte sich auf dem Boden, der schräg zur Mitte abfiel. Dort befand sich eine Art tiefes Sammelbecken. Die schwarze Öffnung wie ein gezackter Mund mit aufgesprungenen Lippen, die das Wasser aufsaugten: eine Zisterne. Andrew starrte sie an. Man konnte leicht in dieses Loch fallen. Es war etwa drei Meter tief. Ein Blecheimer mit einem Seil stand zum Wasserschöpfen bereit. Er war so gebannt vom Anblick der Zisterne, dass ihm der Schein einer zweiten Kerze zuerst gar nicht auffiel.
    »Terrify Babes, my lord, with painted devils«, ertönte eine Stimme. »I am past such needless palsy.«
    Andrew sah ihn – er stand auf der anderen Seite der Zisternenöffnung. Der schmächtige Junge aus dem Duschraum, sein weißblondes Haar (jetzt trocken und gut erkennbar) hatte er hinter die Ohren gesteckt. Er trug ein Nachthemd. Seine Stimme zitterte unnatürlich und wirkte unwiderstehlich  – eine Knabenstimme, die eine Frau nachahmte, durchsetzt mit kristalliner Grausamkeit und überlegener Verachtung.
    »For your names of whore and murderess, they proceed from you – as if a man should spit against the wind: the filth returns in his face.«
    Dann meldete sich eine tiefere, rauere, weniger sichere Stimme.
    »Hast du deinen Text wieder vergessen?«, flüsterte er. » Your champion’s gone. Das ist das Stichwort. Dann sage ich: The wolf may prey the better. Ich liebe das. Zwar hab ich keine Ahnung, was das bedeutet, aber es klingt so niederträchtig .«
    Was?, fragte sich Andrew. The wolf may prey the better? War an diesem Ort sogar die Sprache konfus? Verwirrt machte er, ohne nachzudenken, den letzten Schritt in die kalte Kammer.
    Der Junge umrundete das tückische Loch der Zisterne. und legte Andrew die Hand an die Brust – die Geste eines Erwachsenen; noch mehr Theater, nur spielte der weißhaarige Junge dieses Mal eine Mätresse oder Ehefrau, die an der Brust eines geliebten Mannes nach langer Trennung zusammenbricht. Andrew stand still und ratlos wegen der wechselnden Persönlichkeiten da.
    »Vergisst du das immer?«, fuhr der weißhaarige Junge fort. » The wolf may prey the better. Ihr Kämpe ist Bracchiano. Ich nehme an, der Kardinal soll der Wolf sein. Aber ich male mir aus, dass sie der Wolf ist. Eine Wölfin .«
    Kardinäle? Wölfe? Durcheinander und alarmiert wich Andrew zurück.
    »Du«, brachte er heraus. »Du hast Theo getötet.«
    Jetzt blitzten die Augen des Jungen – die Maske war weggerissen. Das Gesicht verzerrt und Zähne fletschend.
    »Wer war es?«, schrie er. »Sag es mir!«
    Andrew stolperte rückwärts, fiel gegen die Treppe. Der Junge stürzte sich auf ihn. Aber nicht, um ihn anzugreifen. Wieder ein Persönlichkeitswechsel. Er war wieder die unterwürfige Geliebte.
    »Du bist gekommen, du bist gekommen«, schwärmte er und drückte die

Weitere Kostenlose Bücher