Weißer Teufel
Nase atmete. Es war zu plötzlich, zu mechanisch, und dennoch war es die reinste Qual. Genau das hatte er herbeigesehnt, aber es war schal, hatte keine Bedeutung. Sie spielte bloß, und er war irgendwie immer noch verängstigt. (Er hatte schon ein halbes Dutzend Mädchen gehabt, rief er sich ins Gedächtnis; sie ausgezogen wie Schaufensterpuppen, ihren erdigen Sex gerochen und sich auf Bierpartys, während die Eltern aus dem Haus waren, in leeren Schlafzimmern trunkene Befriedigung verschafft. Aber hier kam er mit Draufgängertum nicht weiter.) Er versuchte, das Zittern in seinem rechten Bein zu beruhigen. Was war los mit ihm? Er hatte hierrüberund über sie zu viel nachgedacht. Und darüber, den Preis, diesen Kuss, zu gewinnen … und dann war es so ? Trockene, zusammengepresste Lippen? Scham und Unmut kochten in ihm hoch, als hätte sie ihn verhöhnt.
Sie lösten sich voneinander.
»Ich frage mich«, stieß er hervor, »ob das unersättlich genug war.«
»Wir werden daran arbeiten. Wir könnten uns gegenseitig packen. Wäre vielleicht ganz lustig.«
»Lustig?« Sein Herz wurde schwer.
»Ja, irgendwie komisch …«
Er schnitt ihr verbittert das Wort ab. »Ich bin ehrlich enttäuscht.«
»Enttäuscht? Weshalb?«
»Von dem Kuss.« Er zuckte mit den Achseln.
»Was meinst du damit?«
»Ich meine … du …«
»Ich? Was?«
»Du solltest gut in so was sein.«
»Ach, ja?« Sie wurde rot. »Wer sagt das?«
»Das sagt …« Jeder mit einem einigermaßen gesunden Menschenverstand und Erfahrung hätte den Mund gehalten und eine Kehrtwendung gemacht; das wusste Andrew, doch er steckte plötzlich in einer dialektischen Falle und hatte keine Ahnung, wie er da wieder rauskommen sollte. »Nun, du hast Vaz gehört.«
»Du nennst mich ein Flittchen?« Sie blinzelte verblüfft. »Und was ist mit dir? Wieso bezeichnet dich Vaz als Abschaum? Ist er plötzlich die Autorität hier?«
Andrews Mund wurde trocken. Sie hatten einen echten Streit. Wie hatte er sie so schnell an diesen Punkt gebracht? »Weil mich die Leute beschuldigen, Theo Drogengegeben zu haben. Das Gerücht, dass er an einer Überdosis gestorben sei, hat die Runde gemacht.«
»Ja, davon hab ich gehört. Totaler Quatsch. Theo war nicht so. Aber warum sollten sie dich beschuldigen, es sei denn, du bist ein drogendealender Abschaum.«
»Ich hab nichts mit Drogen zu tun. Nicht mehr«, verbesserte er sich.
Andrew bedauerte die Wende, die ihre Unterhaltung genommen hatte. Er hatte Glück, dass sie ihn nicht einfach stehengelassen hatte. Er war fest entschlossen, Wiedergutmachung für seine dämlichen Bemerkungen zu leisten, indem er ihr offenbarte, um wie viel schlechter er dran war als sie.
»Mein Vater hat dafür bezahlt, dass mich die Schule hier aufnimmt«, begann er.
»Zahlen nicht alle?«, fragte sie noch immer ärgerlich.
»Es war eine Art Spende. Eine große. Eine andere Möglichkeit, mich hier unterzubringen, gab es nicht. Ich war in eine Drogengeschichte verwickelt und wurde drei Wochen vor den Abschlussprüfungen der Schule verwiesen.« Er zögerte. »Es war Heroin.«
»Heroin?«
»Mein Freund Daniel und ich haben es genommen. Zweimal.« Andrew seufzte. »Er kannte einen Dealer in Bridgeport. Ich war feige. Ich nahm beim ersten Mal nur eine winzige Menge. Aber es war … klasse. Ich meine, ich habe etwas gespürt . Also versuchten wir es ein zweites Mal. Es war ein Samstag. Wir hatten den ganzen Tag frei. Allerdings wusste ich nicht, dass Daniel fast so unerfahren in diesen Dingen war wie ich. Er hat es so dargestellt, als wäre das … genau sein Ding. Wir gehen in mein Zimmer und schnupfen etwas von dem Pulver. Ich wieder nurein bisschen, aber er macht fast das ganze Tütchen leer. Nach einer Weile schaue ich auf, und er ist … kreidebleich. Er atmet kaum noch.«
»Was hast du gemacht?«
»Mit meinem Handy 911 angerufen. Das ist der Notruf«, erklärte er. »Ich sagte ihnen, dass ich im zweiten Stock des Noel House in der Frederick Williams Academy bin und dass mein Freund eine Überdosis Heroin genommen hat. Dann saß ich nur da und versuchte, wach zu bleiben, bis ich die Sirenen hörte. Aber als sie ins Haus kamen, war ich … hinüber.« Andrew rieb sich die Stirn.
»Was ist passiert?« Persephone klang jetzt ruhiger.
»Sie haben ihn gerettet.«
»Und mit dir?«
»Hm. Wir wurden beide gefeuert«, sagte er sachlich. »Daniel kam in ein Rehabilitationszentrum. Ich musste gemeinnützige Arbeit ableisten und alle vierzehn
Weitere Kostenlose Bücher