Weißer Teufel

Andrew und Persephone das Klassenzimmer. Persephone warf ihre Bücher mit einem lauten Knall auf den Tisch.
    »Charmant wie immer, diese Harrowianer.«
    »Jetzt verstehe ich, warum du dich so benommen hast, als wir uns zum ersten Mal begegneten«, sagte Andrew.
    »Wie habe ich mich denn benommen?«
    »Feindselig.«
    Sie brauchte einen Moment, bis sie sich erinnerte. »Ich dachte, du bist wie sie.«
    »Und das denkst du jetzt nicht mehr?«
    »Du bist anders«, räumte sie ein. »Und wenn es dieses Theaterstück nicht gäbe, würde ich wahrscheinlich verrückt werden. Piers ist die einzige Insel der Normalität in diesem Laden.«
    »Du hältst Fawkes für normal?«
    »Du nicht?«
    »Er ist gescheit. Hat viel erreicht. Aber mittlerweile ist er ein Wrack.«
    »Wenigstens ist er nicht mumifiziert.«
    »Aber er tut sein Bestes, um einbalsamiert zu werden.«
    Sie lachte finster. »Wie gesagt, du bist schlauer, als du aussiehst.«
    Andrew fühlte, wie etwas in ihm dahinschmolz. Im selben Raum mit ihr zu sein, allein – sie in der weißen Bluse mit dem offenen Kragen  … Für einen Moment hatte er, abgelenkt durch seinen Ärger und Vaz’ Beleidigungen, nicht daran gedacht, aber jetzt …
    »Also, lass uns anfangen«, sagte sie. »Ich möchte nicht länger über den fetten Vasily nachdenken als nötig.«
    »Ja.« Er nahm sich hastig zusammen. »Ja.«
    Andrew schlurfte auf sie zu, wie er es immer tat, wenn er versuchte die richtige Position zu finden. Persephone wartete aufrecht stehend, Skript in der Hand.
    »Bereit?«, fragte sie.
    »Ja. Okay.«
    Sie begann.
    AUGUSTA
    Dein Vater hat meine Mutter abgeschossen
    Auf dieser anderen englischen Jagd
    Nicht von Blaublütlern, sondern …
    Andrew versuchte, mit ihr Schritt zu halten. Ihre Stimme war melodiös. Seine hingegen erschien ihm knödelig, nasal und dünn. Sie hatte die Emotion der Szene erfasst (kokett, sexy und gleichzeitig verwundert über ihre Entdeckung  – wie die beiden Bromios in der Komödie der Irrungen, hatte Honey wenig hilfreich erklärt). Andrew versuchte, sich an die Anweisungen zu erinnern.
    ZUSAMMEN
    Du musst sein wie ich
    Mad Jacks Kinder.
    Wir sind verbunden
    Durch Ehebruch.
    B YRON
    Warum machen wir hier halt?
    AUGUSTA
    Das ist kaum geschwisterlich.
    ZUSAMMEN
    Inzest bringt ein wenig Würze
    Und erfüllt unsere Bestimmung. augusta
    Geschwängert von einem Bruder?
    B YRON
    Lass uns freimütig sein.
    ZUSAMMEN
    Das schlägt alles, was unser alter Herr getan hat.
    Sie umkreisten sich wie zwei Boxer im Ring  – dann kamen sie zusammen und hielten sich an den Händen. Die Szene endete. Persephone ließ Andrews Hand fallen und trat zurück.
    »Gut«, befand sie erfreut.
    »Es, äh …« Andrews Gehirn war wie betäubt, als stünde er tatsächlich auf der Bühne und würde vom Scheinwerferlicht geblendet. Er fingerte an seinem Skript herum und tat so, als würde er lesen, obwohl die letzten Regieanweisungen in dieser Szene das Einzige waren, was er sich wirklich eingeprägt hatte. Sie hatten sich schon in dem Moment, in dem er das Skript bekommen hatte, in sein Gedächtnis gebrannt. Da steht: » Sie kommen zusammen wie magisch angezogen … weichen voller Abscheu auseinander … dann geben sie der Versuchung nach und küssen sich unersättlich . Voller Abscheu auseinanderweichen  – das dürfte nicht allzu schwer sein«, scherzte er mit verzweifelter Selbstverachtung.
    »Eine faszinierende Annäherung«, bemerkte Persephone nachdenklich.
    Sie ergriff seine Hand, nahm ihre vorherige Position ein, dann ging sie zwei langsame Schritte auf ihn zu, sah ihm in die Augen, kurz davor, ihn zu küssen … aber nein, das warnur gespielt. Wie macht sie das? , fragte sich Andrew niedergeschlagen . Er versuchte, es genauso zu machen wie sie.
    »Und jetzt Abscheu«, sagte er.
    Sie wandte sich rasch von ihm ab, spähte mit Bedauern und Angst über die Schulter.
    »Das war gut«, sagte er.
    »Danke.«
    »Nein, ehrlich, du bist eine phänomenale Schauspielerin.«
    »Verglichen womit?« Sie lachte.
    »Sollen wir …«
    »Du willst unersättlich küssen?«
    Diese Frage verschlug ihm die Sprache.
    »Das wird schwer zu erklären sein, wenn jemand vorbeikommt.« Sie deutete mit dem Kinn zu den Fenstern.
    »Da kommt niemand vorbei.« Seine Stimme war zu hoch. Gott, er bettelte fast um diesen Kuss.
    Sie kam theatralisch auf ihn zu. Neigte den Kopf zur Seite und drückte ihr Gesicht an seines.
    Andrew empfing ihren Kuss mit offenen Augen. Er hörte, wie sie durch die