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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
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Armen wie die Fliegen.«
    »Sie erkennen viel an wenigen Worten, Dr. Kahn.«
    »Mein Vater war der jüdische stellvertretende Buchhalter in Harrow. Er war von niemandem der Stellvertreter – er war der einzige Buchhalter. Aber er arbeitete dem Vorstand zu und war bescheiden. Deshalb diese Berufsbezeichnung.« In ihrem Ton schwang Verbitterung und Stolz mit. »Er sorgte für das finanzielle Überleben der Schule. Ehrlich und aufrichtig. Auf meine Art diene ich genauso dieser Einrichtung. Akkuratesse ist alles.«
    »Das merke ich.«
    Damit hatte er die Ungezwungenheit zu weit getrieben. Dr. Kahn überwand ihre Entrüstung und entschied sich, ihn in die Schranken zu weisen. »Mehr kann ich dir ohne weitere Informationen nicht helfen – ohne eine ordentliche Fragestellung. Ihr, Mr. Fawkes und du, habt mir nicht gerade viel an die Hand gegeben«, sagte sie streng.
    Andrew wählte seine Worte mit Bedacht. »Wir sind noch dabei … eine Forschungsgrundlage zu entwickeln.«
    Sie kreuzte unzufrieden die Arme. »Du hast mit Fawkes’ Stück zu tun, hat man mir erzählt.«
    »Ja.«
    »Und«, hakte sie ungeduldig nach, »hängt das hier damit zusammen?«
    »Wieso sollte es?«
    Sie riss die Augen auf. » Wieso sollte es? Das Drama handelt von Byron, oder nicht? Siehst du die Daten hier?«
    Andrew spähte auf die Seite. »1807.«
    »Byron hat sich 1804 immatrikuliert. Seine Zeit hier muss sich mit der von Harness überschnitten haben. Ich dachte, ihr zwei betreibt ernsthafte Nachforschungen. Ist das alles nur eine Laune?«
    »Nein, Ma’am.«
    »Worum geht es dann? Du wirkst in Fawkes’ Stück mit, ja?«
    »Ja, Ma’am.«
    »Wen spielst du?«
    »Ich bin Byron«, antwortete Andrew.
    In diesem Moment ertönte ein Klicken. Dr. Kahn blieb einen Moment stehen, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Die Zeitschaltuhr. Keine Angst, ich finde den Weg auch blind, sagte sie. Andrews Reaktion warhingegen ganz anders. Seit Stunden, seit seinem Besuch bei Fawkes, seit der Nacht zuvor, seit der schreckliche Lärm in seinen Ohren gedröhnt und er die Wucht und den Zorn drohender Gewalt zu spüren bekommen hatte und alles andere unfreiwillig über sich hatte ergehen lassen, hatte sich dieses Gefühl in seiner Brust festgesetzt, und es braucht nur dieses leise Klicken, um sich Bahn zu brechen. Er merkte, wie er im Dunkeln nach Dr. Kahns Arm fasste. Machen Sie das Licht an, machen Sie das Licht an, flüsterte er panisch. Schon gut, beruhigte sie ihn. Bleib hier. Er klammerte sich an den Tisch, um Halt zu finden, lauschte auf Dr. Kahns Schritte, bis die Metallstufen summten. Dann vernahm er das Klicken der Zeitschaltuhr und das stete Ticken. Dr. Kahn kam zurück.
    »Du zitterst«, stellte sie fest. »Was ist los?«
    »Entschuldigung.«
    » Entschuldigung? Mehr hast du nicht zu bieten? Du bist weiß wie ein Geist.«
    Bei diesem Wort zuckte Andrews Blick zu ihr  – zu schnell.
    Das entging ihr nicht. Jetzt musterte sie ihn abschätzend. Andrew senkte den Kopf. Er hatte zu viel preisgegeben und schämte sich. Er musste sich zusammennehmen. Aber Adrenalin durchströmte ihn; seine Beine zitterten. Sie bekam alles mit, und ihre Augen wurden immer runder, der Mund immer schmaler.
    »Mr. Taylor«, begann sie. »Gibt es etwas, was ich wissen sollte?«
    Er hielt den Blick gesenkt.
    »Es gibt eine Reihe von verdächtigen Elementen – jetzt erkenne ich das. Die plötzliche Eile. Die merkwürdige Anfrage. Statt ›Bitte, können Sie mir alles über die Schule zuByrons Zeiten erzählen, was Sie wissen‹ zu sagen, fragst du nach einem nebulösen Detail: Wer hat die weibliche Hauptrolle in The White Devil gespielt? Und vielleicht kannst du mir erklären, woher du so viel über das Leben in Harrow vor zweihundert Jahren weißt?«
    Andrew stieg die Hitze ins Gesicht. »Oh, ich hab einiges über die Schule gelernt«, redete er sich heraus.
    »Und deine Quellen sind?«, hakte sie nach.
    »Ah«, erwiderte er ausweichend. »Das sind einfach nur Dinge, die ich im Haus aufgeschnappt habe.« Das zumindest entsprach der Wahrheit.
    »Mr. Taylor«, sagte sie wieder, »ich frage mich, ob ihr, Mr. Fawkes und du, vollkommen offen zu mir wart. Würdest du mir verraten, warum du gerade so reagiert hast?«
    »Lieber nicht.«
    Sie verschränkte die Arme. »Du bist hier, weil du meine Hilfe brauchst. Wenn du sie willst, musst du mir die Wahrheit sagen.« Sie schaute auf ihre Uhr. »Und die Bibliothek schließt in fünfundzwanzig Minuten, also schlage ich

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