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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
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geschlungen. Er tippte mit dem Fuß auf den Boden. Zum dritten Mal bot er Dr. Kahn Milch an.
    »Tatsache ist, dass ich vorher auch nicht schreiben konnte«, gestand er unvermittelt.
    Dr. Kahn wartete.
    »Neun verdammte Monate bin ich mit dem vermaledeiten Stück nicht weitergekommen. Erst als der Amerikaner auftauchte, kam ein Hauch von Inspiration über mich.«
    »Warum er?«
    »Er ist das Ebenbild von Byron. Byron in seinem Alter. Zornig, bedürftig. Außerdem hat er etwas … Kapriziöses an sich. Haben Sie das bemerkt? Wenn man ihm nicht genau den Krümel Aufmerksamkeit schenkt, den er braucht, ist er fix und fertig. Wissen Sie, was ich meine?«
    Sie nickte. »Neulich in der Bibliothek war er ziemlich verstört.«
    »Er hat mich irgendwie wieder auf Kurs gebracht. Als hätte er mir das nötige Sitzfleisch zurückgegeben, damit ich weitermalen kann. Emotional ausgehungerte Waise. Öl auf Leinwand.«
    »Wieso ist das so – was denken Sie?«
    »Hm?«
    »Wie kommt es, dass Andrew Sie inspiriert?«
    »Zum einen wegen der Geistergeschichte. Hat er Ihnen davon erzählt?«
    »Ja.«
    »Was halten Sie davon?«
    »Es ist glaubhaft«, antwortete sie nach einer Weile.
    Fawkes sah sie überrascht an.
    »Ich habe etwas Eigenartiges gespürt, als ich neulich Abend nach Hause kam. Gerade, als Sie anriefen. Es war ausgesprochen unangenehm.«
    »Sie auch?« Fawkes schilderte, was er und Andrew in seinem Arbeitszimmer erlebt hatten. »Ich habe mich gefragt, ob es nur mir – uns – so geht.«
    »Uns heißt …?«
    »Andrew und mir.«
    »Hm«, brummte sie. Dann fügte sie hinzu: »Ich denke, es gibt noch einen anderen Grund dafür, dass Andrew Sie inspiriert.«
    »Und welchen?«
    »Ich denke, er ist so etwas wie Ihr Spiegel. Denn Sie sind derjenige, der emotional ausgehungert ist.«
    »Wollen Sie mich jetzt analysieren?«
    »Weshalb haben Sie so viel getrunken?«, erwiderte sie.
    »Weil ich Durst habe. Nicht, weil ich ausgehungert bin.«
    »Bleiben Sie ernst.«
    »Weil ein verdammter Teenager aus meinem Haus gestorben ist!«, brach es aus Fawkes heraus. »Weil mir alle Familien Mails schicken und Antworten, Erklärungen fordern. Weil mir der Rektor und Theodore Ryders Eltern Vorwürfe machen. Sie sagen: Oh, natürlich, es war eine unentdeckte Krankheit «, sagte er tonlos, » und Sie sind kein Arzt . Man hört die unterschwellige Anklage heraus. Und man sieht sie in ihren Augen. Wenn Sie Ihren Job richtig gemacht hätten, wäre das nicht passiert. Klar! Wie konnte ich nur das Handbuch über unentdeckte Krankheiten bei Kindern und meine Arztausrüstung vergessen! Ich hätte den Tag retten können!«
    »Ganz recht«, erwiderte Dr. Kahn kühl.
    »Sie machen mir Spaß. Ich hab alles für ihn getan, was ich konnte, Judy. Ich habe ihn in die verdammte Rechtsmedizin begleitet.«
    »Ich weiß.«
    »Und trotzdem beschuldigen sie mich. Was mache ich falsch?«
    »Sie sind«, antwortete Dr. Kahn, »ein selbstsüchtiges, selbstverliebtes Arschloch.«
    Er richtete sich auf, tief getroffen. »Ehrlich?«
    »Ja, ehrlich.«
    »Wären Sie so freundlich, mir das zu erklären?«
    »Ein Junge ist gestorben, Piers.«
    »Dessen bin ich mir bewusst.«
    »Und was tun wir, wenn jemand stirbt?«
    »Wir betrinken uns sinnlos.«
    »Ja. Und wir stellen uns in den Mittelpunkt und machen ein großes Drama daraus und verbringen viel Zeit damit zu beklagen, wie sehr die eigene Poesie in Mitleidenschaft gezogen wird«, sagte sie schneidend.
    »Autsch.«
    »Was machen andere, wenn ein geliebter Mensch stirbt?«, wiederholte sie ihre Frage.
    »Keinen blassen Schimmer. Weinen. Wehklagen. Sich die Haare raufen.«
    »Ist noch nie jemand gestorben, der Ihnen nahe stand?«
    »Doch, mein Vater, vor einigen Jahren.«
    »Und?«
    »Ich machte eine Sauftour. Ich habe sechs Wochen lang getrunken und alles gevögelt, was mir unter die Augen kam. Ich hab zehn Pfund zugenommen und mir einenHerpes geholt«, fügte er hinzu. »So bin ich darüber hinweggekommen.«
    Sie zog angewidert die Nase kraus. »Das Wort, das ich hören will, ist trauern, Piers.«
    »I’ll be that light, unmeaning thing«, deklamierte er, » that smiles with all, and weeps with non.« (Ich werde das harmlose kleine Ding sein, das mit allen lächelt und mit niemandem weint.)
    »Zitate. Sie sind ein Füllhorn an Zitaten. Aber im Grunde bestehen Sie nur aus Asche und Stroh.«
    »Asche und Stroh. Das werde ich verwenden.«
    »Man trauert um jemanden, Piers. Haben Sie um Theo Ryder getrauert?«
    »Ich kannte

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