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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
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stehen und starrte sie an. Nicht, weil er sich vor Einbrechern oder irgendwelchen Eindringlingenfürchtete, sondern weil er selbst vergessen hatte, diese verdammte Tür zuzumachen.
    Und einen Regenschirm hatte er auch nicht mitgenommen. Der Regen tropfte von seiner Nase.
    Kleinigkeiten. Plötzlich brachten sie ihn auf die Palme.
    Vergessen, die eigene Wohnungstür zu schließen! Falls Jute mehr Beweise für seine Unfähigkeit, für andere zu sorgen, gebraucht hätte  – nun, hier war einer. Reiß dich zusammen, schimpfte Fawkes sich selbst. Er trat die Tür weiter auf und sah die überquellenden Aschenbecher und die Unordnung. Alle anderen Gedanken wurden augenblicklich von Ekel verdrängt. Fawkes knirschte ungehalten mit den Zähnen. Er war wütend auf Jute, auf die Schule, auf sich selbst.
    »Reiß dich zusammen«, knurrte er, laut diesmal, stürmte in die Wohnung und schlug die Tür zu. »Reiß dich zusammen!«
    In die Zisterne hinunterzusteigen war schrecklicher, als Andrew befürchtet hatte. Sobald er das Taschentuch entdeckte, wurde ihm schwindlig. Er wollte es nicht zeigen, da Reg in seinen Arbeitsstiefeln und mit Farbe bespritzten Klamotten unter ihm stand. Doch dann wäre Andrew fast abgestürzt, und er musste sich an der Leiter festhalten. Ein merkwürdiges Gefühl brach sich Bahn, als ob ihm jemand ein Narkotikum gespritzt hätte. Er versuchte, es abzuschütteln. Das kommt von dem Abstieg, dachte er. Von der Desorientiertheit im Stockdunkeln. Ziemlich … ziemlich eigenartig hier unten, raunte er, in der Hoffnung, die kalte Wirklichkeit durch eine Unterhaltung mit Reg heraufbeschwören zu können. Doch der grunzte nur. Als Andrew ein wenig später ins Licht und zu seinen neugierigenMitbewohnern, die ihn mit Fragen bombardierten, hinaufstieg, verstärkte sich das Gefühl noch, statt zu schwinden.
    Er bejahte die Fragen mit einem Nicken, zeigte Fawkes ein unechtes Lächeln und ging hinauf in sein Zimmer. Jeder Schritt brachte ihn der Bewusstlosigkeit näher: eine warme, einladende, einschläfernde Verlockung, ähnlich der, von der arktische Forscher berichten, wenn ihnen der Tod durch Erfrierung droht. Und Andrew hatte im Augenblick nicht die Kraft, das zu leugnen, was er in der Zisterne gespürt hatte: die lüsterne, erregende Atmosphäre, die ihn derart überwältigte, dass sie Übelkeit verursachte. Eine Überdosis an verstohlenen Wonnen in dem Zisternenkeller.
    Als er sich in seinem Zimmer auszog, bestürmten ihn ungewollte Assoziationen.
    Falls dich irgendjemand schikaniert, sag es mir, und ich verprügle ihn.
    Andrew sah das Bad des Präfekten.
    Es dampft .
    Ein weißhaariger Junge taucht aus dem Wasser auf: bleich, vollkommen, zerbrechlich, ausgeformt, aber weich. Glatte Haut. Er erhebt sich, kommt auf ihn zu …
    Andrew schwankte und legte sich hin. Er fühlte sich nicht gut. Er döste in dem schwindenden Licht, versäumte das Abendessen und nahm die knirschenden Schritte auf dem Kiesweg und das Plappern unter seinem Fenster nur am Rande wahr – den Radau, den Jungs, die zum Speisesaal unterwegs waren, machten.
    Es kam, als das Tageslicht verging. Das Atmen. Zweifellos real. Die Feuchtigkeit und Bewegung von Lippen nahan seinem Ohr. Erregtes, abgehacktes Keuchen. Andrew kämpfte mit seinen Sinnen, leistete Widerstand – ich bin allein im Zimmer, wiederholte er immer wieder, es ist niemand da –, doch er konnte den Phänomen keinen Einhalt gebieten. Er war nicht imstande, sich zu rühren. Es gab kein Entrinnen, und ihm fehlte auch der Willen. Er lag in Boxershorts da, passiv und voller Angst wie ein berauschter Gefangener, der auf seine Häscher wartete.
    Du bist meinetwegen gekommen.
    Eine eiskalte Hand legte sich auf seine Brust. Andrew wand sich und ächzte, sein Rücken wölbte sich  – werde ich angegriffen oder liebkost , ist das Furcht oder etwas  … Er konnte es nicht sagen; eine Art Erregung, ein unabsichtliches Stöhnen . Die Kälte drang in seinen Brustkorb und schwoll an. Er ließ es geschehen.
    Zuerst hörte er es.
    Das tosende Geräusch, das er – wann? – in diesem Traum gehört hatte. Vor Wochen. In dem Traum, aus dem er schreiend aufgewacht war .
    Anfangs dachte er, das Geräusch käme von außerhalb, ein Crash, ein Donnern, als stünde ein Gewitter direkt über ihm. Jetzt begriff er, dass es etwas anderes war. Etwas Kleineres, Normaleres, das nur ungeheuer verstärkt wurde: der Atem, der ihm auf dem Hügel aufgefallen war.
    Das Husten und der rasselnde Atem des

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