Weißes Gift im Nachtexpreß
aufgenommen?“
„Natürlich habe ich ihn... Wer? Ich
wohne hier allein.“
Tim sah seine Freunde an. „Jetzt geht
das wieder los! Otto lügt, Landers lügt, und unser lieber Herbert fängt auch
damit an. Bitte, haltet mich zurück, falls mich die Tollwut packt. Sonst fällt
hier das Dach ein.“
Herbert hatte die Füße auf den Boden
gestellt. Ängstlich sah der Penner die Jungs an. Vorsichtshalber nahm er noch
einen Schluck aus der Flasche.
„Also noch mal“, sagte Tim: „Zahlt Otto
dir Miete?“
„Äh... welcher... Also gut, nein.“
„Wann hat er sich das Bein gebrochen?“
Herbert riß die Augen auf. „Was? Ist
Otto verletzt?“
Tim seufzte. „Herbert, ich warne dich.
Die Sache ist ernst. Du hast Otto Pawelke mit dem Rad zu Dr. Landers gebracht
und dort abgeladen. Damit er... Ich stand hinter der Hecke und habe alles
gehört. Ein Trickbetrug.“
Herbert zuckte die Achseln. „Naja,
weil... Wir dachten, da ließe sich was rausholen. Ich war gerade in der
Eichen-Allee langgeradelt. Hatte gesehen, daß der Boden mörderisch glatt und
nicht gestreut war. Und aus der Zeitung weiß ich: Das kann teuer kommen für den
Hausbesitzer.“
„Schlau, schlau. Aber der Trick hat
sich ausgeweitet. Denn Landers...“
Tim sagte, was sich abgespielt hatte,
und Herbert verhustete sich am nächsten Schluck Schnaps.
„Donnerwetter!“ staunte er. „Davon habe
ich nichts mitgekriegt. Bin nämlich gleich — ab die Post! War ja nun Ottos
Sache, wie er sich verkauft.“
„Landers hat ihn bezahlt und regelrecht
zu seinem Werkzeug gemacht.“
„Scheint so.“
„Uns geht’s darum, daß dieser Landers
nicht damit durchkommt.“
„Verstehe.“
„Du wirst also aussagen vor der
Polizei, daß du Otto bei Landers vom Rad gekippt hast.“
„Bei den Polypen?“ Der Penner war
entsetzt.
„Du sagst es. Klar?“
„Wer... wer ist das eigentlich — dieser
Dr. Landers?“
„Keine Ahnung. Wir wissen nur, daß er
dort noch nicht lange wohnt. Aber er hat schon Zoff mit sämtlichen Nachbarn.“
Herbert holte sich Mut aus der Flasche.
„Also gut, ich sage aus. Und Otto? Ist
jetzt im Krankenhaus, ja? Wird auch höchste Zeit. Mit der Verletzung!“
„Wann hat er sich das Bein gebrochen?“
Herberts Gesicht verfinsterte sich. „Er
wurde ihm gebrochen.“
Tim schob die Brauen zusammen. „Was
heißt das?“
Herbert atmete tief. „Heute nachmittag
ist es passiert. Eine Brutalität! Muß unsereins, frage ich euch, sowas
erdulden? Nur weil wir arme Typen sind. Sind wir deshalb denn Freiwild? An dem
jeder Irre seine Wut abreagiert. Hinten beim Güterbahnhof ist Otto mit einem
Typ aneinandergeraten. Streit wegen... wegen nichts. Der Kerl hat ihn zu Boden
geworfen. Und ist dann auf sein Bein gesprungen — mit beiden Füßen. So drauf,
daß der Unterschenkel brach. Der Mistkerl hat Otto auch noch in die Rippen
getreten — und weg war er. Ein Glück, daß ich auf dem Weg war, ‘ne halbe Stunde
habe ich gebraucht, bis ich Otto hier hatte. Geschleppt habe ich ihn.“ Er
ballte die Faust. „Aber der Mistkerl kriegt es noch.“
Die Jungs waren erschüttert. Eine
unglaubliche Rohheit. Straßenkrieg. Immer schlimmer wird das. Gewalttätigkeit
greift um sich und gedeiht zur Umgangsform.
„Kennst du ihn?“ fragte Tim.
Herbert blinzelte. „Klar. Ich weiß
sogar, wo er wohnt.“
Tim wechselte einen Blick mit seinen
Freunden.
Ob Klößchen das gleiche dachte, war
nicht gewiß. Aber Karl hob kurz und bedeutungsvoll die Mundwinkel.
Wenn wir uns den Täter schnappen,
überlegte Tim, und zu Otto Pawelke mitnehmen , schwappt
bei dem die Dankbarkeit über. Dann hält er nicht länger zu Landers. Und Ottos
Geständnis wäre das beste — besser als Herberts Aussage. Der hat ja Landers
überhaupt nicht gesehen.
„Dann sag uns mal, wie er heißt und wo
er haust!“ forderte Tim den Penner auf.
*
Den Terror machte er nebenbei.
Anfallsweise. Immer dann, wenn Haß sich in Bert Hansen aufgestaut hatte. Wegen
der Probleme an seiner Lehrstelle als Anstreicher, wo er kurz vor dem
Rausschmiß stand, oder wegen der Mädchen, bei denen er nicht landen konnte. Sie
lachten ihn aus. Einige nannten ihn ,Frosch’ . Er sah
auch tatsächlich ein bißchen so aus, zwar nicht grün oder grau, aber
breitgesichtig wie ein gemütlicher Lurch.
Bert war 19. Keine Eltern. Nur Irene,
seine etwas ältere Schwester, war da. Er wohnte bei ihr. Sie war der einzige
Mensch, den er mochte.
Terror!
Auch an diesem Freitagabend juckte es
Bert.
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