Weisses Gold
Handelsschiff vor Anker. Es hatte »etwa acht Tonnen« und eine Besatzung von zwölf Seeleuten, womit es sehr viel größer war als die flachen Schiffe, die die Franzosen üblicherweise stromaufwärts schickten. Dies war Thomas Pellows Chance auf eine Rückkehr nach Europa. Aber seine Hoffnung wurde rasch zerstört. Als die marokkanischen Soldaten das französische Schiff erspähten, beschlossen sie sofort, es zu kapern.
Bestürzt sah Pellow zu, wie sie ihren Plan in die Tat umsetzten. »Die Mauren schwammen [zu dem Schiff] hinüber, enterten es und schleppten es ans Ufer.« Sie nahmen die zwölf Besatzungsmitglieder, die Pellows Retter hätten sein sollen, gefangen und plünderten die Ladung des Schiffes. Es war eine regelrechte Schatztruhe, jeweils zur Hälfte mitElefantenstoßzähnen und Sklaven beladen. Die Beute wurde nach Chingit gebracht, das Schiff in Brand gesetzt. Dies war eine unmissverständliche Botschaft an die Franzosen auf der Insel Saint Louis: Das Land am Senegal war ein marokkanisches Sklavenreservoir.
Pellow blieb fast den ganzen Winter in Chingit und musste an drei Expeditionen zum Senegal teilnehmen, bei denen »eine große Beute an Gold, Elfenbein und Schwarzen« angehäuft wurde. Wie viele Sklaven gefangen wurden, ist nicht bekannt, aber Pellow zufolge hatten sie einen Wert »von einigen Millionen englischen Pfund Sterling«. Wie zu Mulai Ismails Zeiten machten die Marokkaner einen gewaltigen Fang und hatten damit einen beträchtlichen Anteil am Handel mit schwarzen Sklaven, der schätzungsweise 15 Millionen Afrikaner die Freiheit kostete.
Als weit und breit keine Sklaven mehr zu finden waren, bereitete sich die große Karawane auf den Heimweg vor. Überall herrschte geschäftiges Treiben, als die Kamele beladen und die Sklaven in Gruppen aufgeteilt wurden. Die Rückreise würde noch gefährlicher werden als der Hinweg, denn eine so große Karawane musste sehr schnell durch die Wüste ziehen, um mit den Wasservorräten auszukommen. Die Führer diskutierten kurz darüber, was mit den zwölf französischen Gefangen geschehen solle. Es wurde beschlossen, sie nach Meknes mitzunehmen, denn Sultan Mulai Abdallah würde sich sicher über dieses Geschenk freuen. Vier Franzosen starben auf dem langen Marsch durch die Wüste, und die übrigen acht waren halb verhungert, als sie die Hauptstadt des maghrebinischen Königreichs erreichten.
Eine so große Sklavenkarawane war ein verlockendes Ziele für die Beduinen, und die Karawane wurde in der Wüste mehrfach überfallen. Pellow gehörte zu einer bewaffneten Gruppe, die den Zug verteidigen sollten, und erlitt in einem Gefecht eine Kopfverletzung. Aber der entschlossene Einsatz seiner Männer schreckte die Beduinen ab, und »nach diesem Scharmützel setzten [sie] die Reise ohne weitere Belästigung fort«.
Nach einem Marsch von mehreren Monaten erreichte die Karawane im Winter des Jahres 1732 endlich die Festung Tadla. In dieser Kasbah, die sich auf halbem Weg zwischen Marrakesch und Meknes befand, war gerade der Sultan zu Besuch. »Mulai Abdallah erwartete uns«, berichtet Pellow, »denn er vertrieb sich gerade die Zeit damit, das Land zu plündern und seine Untertanen zu ermorden.«
Die Führer der Karawane hatten erwartet, dass der Sultan über den Ertrag ihres Raubzugs hocherfreut sein würde. Schließlich hatten sie eine große Zahl von Kindersklaven mitgebracht. Aber sie hatten sich getäuscht. Mulai Abdallah hatte sowohl die Launenhaftigkeit als auch die Grausamkeit seines Vaters geerbt. Vollkommen überraschend beschuldigte er die Befehlshaber der Karawane, sie hätten ihre Pflicht vernachlässigt, und ließ 18 von ihnen auf der Stelle hinrichten. Pellow schreibt: »Als der Tyrann genug Blut gesehen hatte, setzte er sich an die Spitze unseres Zuges, und wir marschierten nach Meknes weiter.« Dort wurden die Kinder aussortiert, um mit ihrer Ausbildung zu beginnen. Die französischen Gefangenen wanderten in die Sklavenpferche. Die Karawane wurde aufgelöst, »und ihre Teilnehmer wurden nach Hause geschickt«.
Ermutigt durch die Festigung seiner Macht, beschloss Sultan Mulai Abdallah, die Offensive gegen seine europäischen Feinde auszuweiten. Er schloss zwar Verträge mit England und den Niederlanden, doch seine Korsaren verstießen mit seiner Billigung immer wieder gegen die Vereinbarungen. Im Oktober 1732 wurde das britische Schiff
Eagle
in den Hafen von Salé geschleppt; Passagiere und Besatzung, darunter 70 Portugiesen, wurden als Sklaven
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