Weisses Gold
konnte er sich leicht als fahrender Händler ausgeben. Daher war er überzeugt, sehr viel weniger Verdacht zu erwecken, wenn er bei Tag durch Marokko reiste.
Die Atlantikküste hatte er bald erreicht, aber es bestand keine Hoffnung, dort auf ein europäisches Handelsschiff zu stoßen, denn aufgrund der Bedrohung durch die Korsaren von Salé wagte sich kein Europäer in diese Gewässer. In der Hoffnung, den kleinen Hafen von Santa Cruz zu erreichen, wandte sich Pellow nach Süden. Er schloss sich dem Gefolge eines durch Marokko ziehenden heiligen Mannes an, da er hoffte, in einer großen Gruppe sicherer reisen zu können. Aber die unbewaffneten Pilger waren eine leichte Beute für die Räuber, die entlang der Straßen ihr Unwesen trieben. Und noch am selben Morgen, an dem Pellow zu der Pilgergruppe stieß, wurde sie überfallen und ausgeplündert. Die Pilger blieben fast nackt am Wegrand zurück. Auch Pellow verlor seinen wenigen Besitz sowie den Großteil seiner Kleidung. »Ich musste es mit christlicher Geduld ertragen und drei Tage lang bei sehr kaltem Wetter unter diesen Bedingungen reisen.«
Als er sich in dieser erbärmlichen Verfassung auf dem Weg nach Santa Cruz die felsigen Hänge des Antiatlas hinauf quälte, begegnete er zwei spanischen Renegaten, die sich als Quacksalber durchschlugen. Die beiden Männer hatten Mitleid mit ihm. »Sie waren sehr gut zu mir und erwiesen sich als wahre Freunde in der Not. Sie gaben mir ein Stück einer alten Decke, füllten mir den Bauch mit dem, was sie zu essen hatten, und gaben mir freundlichen Rat.« Die beiden erzählten Pellow, dass sie inden abgelegenen Bergregionen ihren Lebensunterhalt leicht verdienen konnten, indem sie sich als Ärzte ausgaben. Sie erklärten ihm, unter der einfachen Landbevölkerung sei der Glaube verbreitet, die Christen besäßen Heilkräfte, was vermutlich daran liege, dass Christus Kranke geheilt habe, und eine Reihe von Renegaten machten gute Geschäfte mit den abergläubischen Berbern im Hohen Atlas. Die Spanier überließen Pellow »einige ihrer Medikamente, ein altes Chirurgenmesser und ein Brenneisen, damit [er] es auch versuchen konnte«.
Pellow begriff, dass er seine wahren Absichten sehr viel besser verbergen konnte, indem er das Gebirge in der Verkleidung eines fahrenden Arztes überquerte. Außerdem konnte er sich so ein wenig Geld verdienen, um Proviant zu kaufen. Seine Hoffnung auf einen Erfolg wuchs, und er stieß weiter in das zerklüftete Gebiet vor, in dem er seinen neuen Beruf ausüben wollte.
Bereits nach kurzer Zeit erhielt er Gelegenheit, sein Können als Arzt unter Beweis zu stellen. Als er eine Nomadensiedlung durchquerte, näherte sich ihm eine Frau und bat ihn um Hilfe. Ihr Mann war in so schlechter Verfassung, dass sie um sein Leben fürchtete. Als Pellow den Kranken untersuchte, stellte er fest, dass der Mann tatsächlich in einer hoffnungslosen Lage war, denn »seine Unpässlichkeit war bereits sehr weit vorangeschritten und sein Zustand sehr bedrohlich«. Er wollte versuchen, das Leben des Mannes zu retten, indem er eine damals übliche Methode anwandte und ihn zur Ader ließ. Sollte das nicht wirken, so wollte er ihn mit dem Brenneisen behandeln.
Die beiden Spanier hatten Pellow kurz in der Verwendung der Werkzeuge unterwiesen, aber dies war das erste Mal, dass er sie tatsächlich einsetzte. Er band dem Mann den Arm mit einem Hanfstrick ab, wie ihm die Spanier gezeigt hatten, und holte seine Instrumente hervor. Beim Anblick seines Skalpells erschrak er, denn es war »sehr stumpf und extrem rostig«. Er wusste nicht, wie er den Eingriff anstellen sollte.
Der Patient klagte bereits über starke Schmerzen, da ihm der Hanfstrick das Blut abgedrückt hatte. Er flehte Pellow an, den Eingriff rasch vorzunehmen. »Also stach ich ihn sehr heftig in oder neben die Vene.« Aber das Messer glitt ab, und er musste es ein zweites Mal versuchen: »Ich wiederholte es zweimal, doch obwohl ich ihn viel fester stach als zuvor, gelang es mir nicht, ihn zum Bluten zu bringen.«
Der Patient winselte vor Schmerzen und konnte nicht länger stillhalten. Also entschloss sich Pellow, den Mann zu brennen, und hielt das Eisen ins Feuer, bis es rot glühte. Als er dem Mann das Eisen auf den Kopf drückte, zischte die verbrannte Haut und verströmte einen widerwärtigen Gestank. »Er wand sich und schrie erbärmlich.« Pellow rügte den Mann als »sehr hasenfüßigen Soldaten«.
Der Patient war nicht von der Behandlung überzeugt, aber
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