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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Milton
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nach Meknes geschickt. Es folgten weitere Schiffe, und bald waren wieder hunderte Briten in Marokko gefangen.
    Also schickte die britische Regierung erneut einen Botschafter an den Hof des Sultans. Der Gesandte John Leonard Sollicoffre wurde von einem jüdischen Dolmetscher namens Salomon Namias begleitet, der aus London stammte. Die beiden Männer lernten einen übellaunigen Sultan kennen, dem nicht danach zumute war, über die Freilassung seiner Sklaven zu verhandeln. Als Namias auf ihrer Freilassung beharrte, wurde der Sultan wütend. »Bringt den Herrn Juden weg und verbrennt ihn«, sagte er zu seinen Leibwächtern. Namias flehte um sein Leben, aber der Sultan wiederholte seinen Befehl. »Sie gehorchten augenblicklich«, schreibt Pellow, »legten ihn flach auf den Bauch, häuften auf grausamste Art das Holz auf den lebenden Mann, und nach kurzer Zeit starb er unter schrecklichen Schreien und zweifellos unter großen Qualen.«
    Sollicoffres Mission war ein Fehlschlag – und obendrein ein kostspieliger. Er gab mehr als 1300 Pfund für die Reise nach Meknes aus, ohneeinen einzigen Sklaven heimzubringen. Noch schlimmer war, dass die herausfordernde Haltung des Sultans die Korsaren von Salé ermutigte, ihre Attacken zu verdoppeln. Bald hatten sie vier weitere britische sowie zahlreiche Schiffe aus anderen europäischen Ländern in ihre Gewalt gebracht und die Besatzungen als Sklaven verschleppt. Pellow begegnete einer Gruppe britischer Gefangener bei ihrer Ankunft in Meknes. Er erkundigte sich, ob unter ihnen jemand aus Cornwall sei. »Tatsächlich war da ein Mann namens George Davies, der aus Flushing kam.« Pellow erkannte Davies sofort und begrüßte ihn herzlich. Aber Davies sah nichts Vertrautes in Pellows sonnengebräuntem Gesicht und fragte ihn, wer er sei. »Nun, du und ich waren einst Schulkameraden in Milar.« Davis sah ihn erneut an und erkannte, dass Thomas Pellow vor ihm stand, »der vor langer Zeit gemeinsam mit seinem Onkel in die Berberei verschleppt wurde«. Pellow freute sich über das Wiedersehen, »obwohl [er] sehr bedauerte, dass es in diesem Teil der Welt und unter so unglücklichen Umständen dazu kam«.
    Die Gefangennahme von George Davis und seinen Kameraden rief in London derartige Empörung hervor, dass Sollicoffre sofort nach Marokko zurückgeschickt wurde, wo es ihm gelang, ein weiteres Mal beim Sultan vorzusprechen. Bei dieser Gelegenheit traf er Mulai Abdallah in besserer Laune vor. Der Sultan versprach, alle 136 britischen Sklaven in Meknes gegen ein Lösegeld von 350 Kronen pro Kopf freizulassen, lehnte es jedoch ab, auch die an Bord der britischen Schiffe gefangen genommenen Spanier und Portugiesen ziehen zu lassen. Sollicoffre übergab ihm das Geld, bevor es sich der Sultan anders überlegen konnte, und brachte die befreiten Sklaven in aller Eile an Bord seines Schiffes.
    Er freute sich über den Erfolg dieser Mission, musste jedoch bald feststellen, dass seine Zufriedenheit in der Heimat nicht von allen geteilt wurde. »Seine Majestät ist sehr froh, dass es Ihnen gelungen ist, die englischen Gefangenen zu befreien«, schrieb der Herzog von Newcastle in einem Brief an Sollicoffre, »…während er sehr unzufrieden darüber ist, dass Sie eingewilligt haben, einen derart extravaganten Preis zu bezahlen.«
    Sollicoffre wurde eines »schweren Fehlverhaltens« bezichtigt, weil er das Lösegeld bezahlt hatte, und musste bei seiner Heimkehr feststellen, dass er in Ungnade gefallen war. Durch die Kritik zermürbt und vom Fieber geschwächt, starb er wenige Monate später.

    In einer mondlosen Nacht im Frühjahr 1737 stahl sich Thomas Pellow aus seiner Unterkunft in Meknes. Er schlich im Schatten der Stadtmauern zu einem der Tore der Königsstadt. Es war kurz vor Mitternacht, und die Stadt schlief. Thomas Pellow war wieder auf der Flucht.
    Er war mittlerweile 33 Jahre alt und lebte seit mehr als zwei Jahrzehnten in Gefangenschaft. Seine Frau und seine Tochter waren seit fast neun Jahren tot, und die friedliche Zeit, die er in Kasbah Temsna verbracht hatte, war nur noch eine ferne Erinnerung. Er musste befürchten, bald auf die nächste gefährliche Mission geschickt zu werden, und es hatte wenig Sinn, auf eine bessere Chance zur Flucht zu warten.
    Obwohl er Meknes im Schutz der Dunkelheit verließ, hatte er keineswegs die Absicht, nachts zu reisen. Er musste nicht befürchten, als Renegat enttarnt zu werden. Er sprach fließend Arabisch, und mit seiner dunklen Haut und dem langen Bart

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