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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Milton
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überleben konnten. Danach drohte ihnen ein qualvoller Tod in der Wüste.
    Die Männer beklagten sich bei ihrem Führer, den ihre Furcht jedoch überhaupt nicht zu berühren schien. Er forderte einen von ihnen auf, ihm eine Handvoll Sand unter die Nase zu halten. »Nachdem er ein wenig daran geschnuppert hatte, sagte er uns, wir würden in den nächsten zwei Tagen Quellen erreichen und genügend Wasser haben.« Die große Karawane schleppte sich weitere zwei Tage unter der sengenden Sonne durch die Wüste. »Am Morgen des zweiten Tags … verlangte er [der Führer], ihm eine weitere Handvoll Sand unter die Nase zu halten.«
    Die Skeptiker beschlossen, den Mann auf die Probe zu stellen. Einer von ihnen hatte zwei Tage vorher einen kleinen Sack mit Sand gefüllt, den er dem Blinden nun präsentierte. »Nachdem er sehr viel länger daran gerochen hatte als beim ersten Mal, sagte er dem anderen, entweder marschiere die Karawane rückwärts oder man versuche ihn auf gemeine Art hinters Licht zu führen.« Man klärte ihn darüber auf, dass dies derselbe Sand wie zwei Tage früher war. Er war wütend, weil man an seinen Fähigkeiten gezweifelt hatte. Er verlangte, ihm Sand von der Stelle zu geben, an der sie sich gerade befanden, und »nachdem er nur kurz daran gerochen hatte, [sagte er], wir würden etwa gegen vier Uhr am Nachmittag genug Wasser finden«. Die Karawane zog weiter, bis in der Ferne ein grüner Fleck auftauchte. »Endlich erreichten wir diese Quelle, nach der wir uns so gesehnt hatten … und stillten unseren Durst.« Sie hatten keinen Augenblick zu früh Wasser gefunden, denn ihre Lederschläuche waren leer.
    Pellow war fasziniert von den Fähigkeiten des blinden Führers und fragte ihn nach seiner »wunderbaren und verblüffenden Methode, am Sand zu riechen«. Der Blinde erklärte ihm, er habe die Wüste dreißigmal durchquert. Als er bemerkte, dass »sein Sehvermögen schwand, erwarb er durch häufige Wiederholung des Experiments … diese wunderbare Fähigkeit«. Tatsächlich war dieser Führer keineswegs der Einzige, der diese Kunst beherrschte. Der arabische Reisende Ibn Batuta beschrieb im Mittelalter eine ähnliche Technik, und Leo Africanus erwähnte sie im 16. Jahrhundert. Die Nomaden in der Sahara wandten sie seit Jahrhunderten an.
    Die Karawane rastete einige Tage bei dem Wasserloch, bevor sie ihre Reise fortsetzte. Obwohl der Herbst mittlerweile weit vorangeschrittenwar, brannte die Sonne immer noch unbarmherzig auf die große Karawane herab. Tagelang brachte der Horizont keinerlei Abwechslung außer dem silbrigen Flackern der Trugbilder. Aber diese langen Wüstendurchquerungen brachten stets Überraschungen, und diese Expedition war keine Ausnahme. »Eines Tages stieß mein Kamel mit einem Huf gegen etwas, das hohl klang.« Pellow saß ab, um sich anzusehen, was für ein Gegenstand dort im Sand vergraben war. »Es ist ein menschlicher Leichnam«, erklärte ihm der Führer, »der seit einiger Zeit im Sand begraben liegt und durch die übermäßige Hitze zu einer Mumie getrocknet ist.«
    Später entdeckten die Männer eine weitere Mumie, was ein Hinweis darauf war, dass sie auf die schaurigen Überreste einer Karawane gestoßen waren, die der Wüste zum Opfer gefallen war. Thomas Pellow war erschüttert. Er versuchte die im Sand vergrabene Mumie zum Vorschein zu bringen. Er fand sie »rasch mit der Schwertspitze und grub sie in kürzester Zeit aus«. Die Leiche sah aus, als hätte sie Jahrhunderte dort gelegen. »Sie war so hart wie ein Stockfisch, alle Glieder und das Fleisch waren noch daran (wenn auch ausgedörrt und verschrumpelt), und alle Zähne saßen fest im Gaumen.« Er roch an der Haut, doch überraschenderweise stank sie nicht, sondern war vollkommen geruchlos. »Ein Mann hätte sie an seiner Brust tragen können, ohne im geringsten von Gestank belästigt zu werden.«
    Nach einem fünf Monate langen Marsch durch die Wüste näherte sich die Karawane endlich ihrem Ziel. Als sie auf Nomaden stieß, war klar, dass Chingit nicht mehr fern war. Bald darauf bemerkte die Vorhut eine große Zahl von Zelten in der Wüste. Endlich war die fruchtbare Oase erreicht.
    Meknes war mehr als 1500 Meilen entfernt, aber Chingit war fest in der Hand des Sultans. Mulai Ismail hatte eine Reihe militärischer Expeditionen in das Gebiet geschickt und die Nomadenstämme unterworfen. Chingit war ein strategisch wichtiger Ort, an dem sich zwei der großen Karawanenstraßen durch die Sahara trafen. Auch der

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