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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Milton
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forderte. König Wilhelm wollte die Sklaven unbedingt befreien und erklärte sich schließlich bereit, den ungeheuren Betrag von 15 000 Pfund zu zahlen sowie 1200 Fässer Schießpulver zu liefern. Kapitän George Delaval erhielt den Auftrag, beides nach Marokko zu bringen. »Das Schiff war derart vollgestopft mit Schießpulver«, schrieb Delaval, »dass wir ständig fürchten mussten, es werde in die Luft fliegen.«
    Kaum war das Schiff in Tetuan gelandet, da stellte Mulai Ismail die Vereinbarung erneut in Frage und begann zu verhandeln. Delaval war der Verzweiflung nahe, bewies jedoch bemerkenswerte Willenskraft und weigerte sich, dem Sultan das Geld auszuhändigen, bevor er greifbare Beweise dafür hatte, dass die Sklaven tatsächlich freigelassen würden. Schließlich machten sich seine Hartnäckigkeit – und die Geschenke – bezahlt. Im Dezember 1701 willigte der Sultan ein, 194 englische Sklaven freizulassen und nur 30 in Meknes zu behalten.
    Die letzten verbliebenen Gefangenen waren noch immer in der Gewalt des Sultans, als Anna Stuart im Jahr 1702 den englischen Thron bestieg, und es hatte den Anschein, als sollten sie ihr Leben als Sklaven beenden. Doch als die Königin ihre Bereitschaft andeutete, in einemBündnis mit Marokko die spanische Enklave in Ceuta anzugreifen, wurden auch diese Gefangenen überraschend in die Freiheit entlassen.
    Die Ankunft der befreiten Sklaven in London löste ein überbordendes Freudenfest aus, denn es hatte den Anschein, als sei die Bedrohung durch die Korsaren von Salé nun endlich gebannt. Auch die Minister der Königin stießen einen kollektiven Seufzer der Erleichterung aus. Zum ersten Mal seit anderthalb Jahrhunderten wurde kein einziger Engländer auf marokkanischem Boden als Sklave gehalten. Doch Mulai Ismail hatte keineswegs die Absicht, einen dauerhaften Frieden mit der englischen Krone zu schließen. Als sich die Königin entschloss, doch keine Truppen für den Angriff des Sultans auf Ceuta bereitzustellen, gab er den Korsaren von Salé wieder die Erlaubnis, britische Schiffe zu attackieren. Nach einem Waffenstillstand von nur drei Jahren wurden mehrere Handelsschiffe gekapert und 55 Seeleute nach Meknes verschleppt. »Betet zum Herrn, er möge sich unserer erbarmen«, schrieb James Hill, einer dieser neuen Sklaven. »Wir liegen nackt im Gefängnis und werden misshandelt, ohne Kleider und ohne das Nötigste zum Leben.«
    Mulai Ismail hielt für die restliche Regierungszeit von Königin Anna an der Methode fest, immer neue Gefangene zu machen, Lösegeld zu erpressen und gelegentlich einige Sklaven freizulassen. Er ließ nur dann Sklaven gehen, wenn er sich einen Gewinn davon versprach, und betrachtete seine Gefangenen stets als Instrumente seiner Außenpolitik. Im Frühjahr 1714 ließ er erneut seine englischen Sklaven frei und unterzeichnete einen weiteren Friedens- und Freundschaftsvertrag. In dieser Vereinbarung verpflichteten sich die Engländer, dem Sultan eine große Menge Porzellan und Textilien sowie zwölf Axishirsche zu schicken.
    Als Königin Anna im Sommer 1714 starb, wartete Mulai Ismail noch auf diese Geschenke. In seinen Augen hatte man ihn absichtlich vor den Kopf gestoßen, und das musste bestraft werden. Im Frühjahr des kommenden Jahres gab er den Korsaren von Salé einen neuen Angriffsbefehl. Zur selben Zeit bereiteten sich die Kaufleute an der Südwestküste Englands darauf vor, mit ihren Schiffen in See zu stechen. Sie wussten noch nicht, dass der Sultan seine Meinung wieder einmal geändert hatte.

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    3
Gekapert
    Die
Francis
glitt fast unbemerkt aus dem Hafen von Falmouth. Es hatte sich keine Menschenmenge versammelt, um das Schiff zu verabschieden, und nirgendwo waren schluchzende Ehefrauen und Mütter zu sehen. Die Seeleute hatten bereits am Vorabend Lebewohl gesagt. Da niemand gekommen war, um ihnen zum Abschied zu winken, machten sie sich ungewöhnlich eifrig an die Arbeit. Die triefnassen Taue wurden an Deck gezogen, und das klamme Tuch der Segel entfaltete sich. Eine scharfe Windböe genügte, um das kleine Schiff rasch in den Ärmelkanal hinauszutreiben. Es war noch keine Stunde vergangen, da war die Küste von Cornwall außer Sicht.
    Die Abfahrt der
Francis
»im Jahre des Herrn 1715« war so unspektakulär, dass sie lediglich von den Hafenarbeitern und Schauermännern bemerkt wurde. Das Schiff gehörte einem Kaufmann namens Valentine Enys, einem geschäftstüchtigen Mann, der ein großes Netz von Handelsniederlassungen aufgebaut

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