Weisses Gold
des Sultans die erste Audienz bei König Karl II. Im Bankettsaal des Palastes von Whitehall fand ein glänzender Empfang statt. Als der Botschafter den Saal betrat, waren die versammelten Höflinge verzückt von seiner exotischen Erscheinung. Nur ein aufmerksamer Beobachter, der Tagebuchschreiber John Evelyn, äußerte sich skeptisch angesichts des hochmütigen Gehabes von Kaid Haddu Ottur und bemerkte, dieser habe sich dem Thron genähert, »ohne die geringste Ehrerbietung zu zeigen oder sich zu verneigen«.
Dem König selbst war das vollkommen gleichgültig. Der »fröhliche Monarch«, wie Karl II. im Volksmund hieß, war derart verzückt, dass er in überschwänglicher Freude seinen Hut durch den Saal schleuderte, eine Geste, die für den Gesandten des Sultans noch bedeutsame Folgen haben sollte. Evelyn beschreibt die »maurischen Gewänder« Kaid Haddu Otturs und seiner Gefolgsleute, die »mit Knöpfen und Schlaufen verzierten farbigen Soutanen aus Tuch oder Seide«. Um sich vor der Winterkälte zu schützen, trugen sie zudem »weiße Wollmäntel, die so lang waren, dass sie den Körper samt des Kopfes einhüllten«. Auf dem Kopf trugen sie kleine Turbane, während ihre Arme und Beine mit Ausnahme dicker Ledersocken unbedeckt waren. Besonderen Glanz strahlte der Botschafter aus, in dessen Turban eine Perlenkette eingewebt war. Evelyn bezeichnet ihn als »schönen Menschen mit edlen Gesichtszügen und klugem Blick, subtil und ausgesprochen fein«. Als Geschenke hatte er dem König zwei Löwen sowie mehrere Strauße mitgebracht, deren drolliges Aussehen für große Heiterkeit unter den Höflingen sorgte.
Die Londoner Gesellschaft überhäufte die Entourage aus dem maghrebinischen Königreich mit allen erdenklichen Höflichkeiten, in der Hoffnung, die Gastfreundschaft werde die Freilassung der Sklaven begünstigen. Die französische Mätresse von König Karl, Louise de Kerouaille, die Herzogin von Portsmouth, richtete zu Ehren der Besucher ein »großartiges Bankett mit Confiserie und Musik« aus und lud sämtliche Edlen Londons ein, die Marokkaner in der Hauptstadt willkommen zu heißen. Die englischen Festgäste warfen sich in möglichst ausgefallene Kostüme und hüllten sich in allen Glanz, »den Edelsteine und ein übermäßig gewagtes Auftreten ihnen verleihen konnten«.
Der marokkanische Gesandte und sein Gefolge sahen gleichermaßen belustigt wie ungläubig zu, wie die Verehrung rasch zu einer zügellosen Posse ausartete. Sie lehnten es ab, an den Vergnügungen teilzunehmen, und »legten eine außergewöhnliche Mäßigung und Bescheidenheit an den Tag«, wie Evelyn berichtet, wobei sie »weder Bewunderung noch irgendeine Regung zeigten«. Sie verzichteten auf die Gelegenheit, an einem lärmenden Tanz teilzunehmen, und wandten sich angewidert ab, als man ihnen Wein anbot.
»Sie tranken ein wenig Milch und Wasser«, schreibt Evelyn, »aber nicht einen einzigen Tropfen Wein; sie kosteten auch das Sorbet und die heiße Schokolade.« Es überraschte Evelyn, dass sie den ganzen Abend nüchtern blieben und »sich nicht umsahen oder die Damen anstarrten oder die geringste Überraschung zeigten«.
In den Tagen, die auf das Bankett folgten, verbrachten der Gesandte und seine Begleiter viel Zeit im Hyde Park, »wo er und sein Gefolge ihre außergewöhnliche Reitkunst zeigten und in vollem Galopp ihre Lanzen warfen und fingen«. Der Kaid wurde mehrfach ins Theater eingeladen, wo er sich bei »dummer oder phantastischer Handlung das Lachen nicht verkneifen konnte, aber er bemühte sich mit außergewöhnlicher Bescheidenheit und Ernsthaftigkeit, es zu verbergen«.
Die Mauren genossen ihren Aufenthalt in London und wurden zu einem festen Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Doch sie zeigten keinerlei Interesse daran, über die in ihrer Heimat festgehaltenen englischen Sklaven zu sprechen. Die Minister des Königs beschlossen, die Besucher nicht zu drängen, solange sie sich des Verhandlungserfolgs nicht sicher sein konnten. Stattdessen luden sie die Marokkaner zu Besichtigungstouren ein und unternahmen mit ihnen Ausflüge nach Windsor, Newmarket, Oxford und Cambridge. Wo immer die Mauren hinkamen, lockten sie große Menschenmengen an. Es war, als wollte ganz England einen Blick auf die Vertreter jenes Landes werfen, das seit vielen Jahren englische Schiffe angriff und deren Besatzungen versklavte.
In Cambridge wurde der Botschafter zu einem Bankett eingeladen, an dem der Vizekanzler und die Vorstände der
Weitere Kostenlose Bücher