Weisses Gold
aus dem Maghreb mit gutem Recht und hätten gut daran getan, den Kapitän und seine Mannschaft vor den extremen Gefahren ihrer Reise zu warnen. Sie wussten, dass noch vor kurzer Zeit eine große Zahl von Engländern – darunter viele Seeleute aus Cornwall – in Nordafrika gefangen gehalten worden waren, und hatten große Angst, dass ihrem Sohn ein ähnliches Schicksal drohte. Doch Valentine Enys, der Eigentümer der
Francis
, hielt ihre Sorgen für unangebracht. Der marokkanische Sultan hatte erst vor einem Jahr einen Friedens- und Handelsvertrag mit England geschlossen. Und es war bekannt, dass dieser Vertrag die lange Schreckensherrschaft der Korsaren von Salé beendet hatte. Es war den Piraten nunmehr verboten, englische Schiffe anzugreifen oder sich der englischen Küste zu nähern. Der Sultan hatte sie gewarnt: Wer gegen das Verbot verstieß, »darf niemand anderem als sich selbst die Schuld geben und verletzt keinen anderen Kopf als den eigenen«. Doch Mulai Ismail hatte noch eine weitere, etwas kryptische Ankündigung gemacht und erklärt, sollte der Waffenstillstand enden, so werde jeder gefangene Seemann seines »Schutzes beraubt, er wird nicht in den Genuss eines Paktes kommen, und seine Hoffnungen werden umsonst sein«.
Kapitän Pellow und seine Besatzung hatten keinen Grund anzunehmen, dass der Sultan drauf und dran war, den Vertrag in Fetzen zu reißen. Sie wussten nichts von den Geschenken, die Königin Anna dem Sultanversprochen, jedoch nie geschickt hatte. Und sie ahnten nicht, dass Mulai Ismail erzürnt darüber war, dass die Engländer ihre Zusagen nicht eingehalten hatten.
Ähnlich ahnungslos waren auch andere englische Händler, die sich damals anschickten, die Friedenszeit zu nutzen. Überall in Südengland wurden Schiffe seeklar gemacht, um Waren nach Spanien, Portugal und in die nordamerikanischen Kolonien zu bringen. Eine ansehnliche kleine Flotte von Fischern und Kaufleuten war bereits in See gestochen und kreuzte im Nordatlantik. Die
Sarah
segelte mit einer Besatzung von 15 Mann von Bristol nach Barbados. In Topsham hatte die
Endeavour
Segel gesetzt, um Salz nach Neufundland zu bringen, und aus demselben Hafen war die
David
mit Kurs auf Lissabon ausgelaufen. Die
Catherine
aus Hampton war ebenso wie die aus London stammende
George
auf dem Weg nach Spanien, während die
Rebecca and Mary
, deren Heimathafen Hull war, mit einer Ladung Getreide nach Livorno unterwegs war.
Und nicht nur englische Schiffe waren in See gestochen, um die Atempause zu nutzen, die ihnen die Piraten gewährten. Händler aus den amerikanischen Kolonien, die in der Vergangenheit ebenfalls sehr unter den Korsaren von Salé gelitten hatten, hatten ihre Schiffe mit Waren beladen, die für die großen Märkte in Südeuropa bestimmt waren. Eines dieser Schiffe, die
Prosperous
, hatte kurz zuvor in Neuengland mit einer Ladung Pökelfisch Segel gesetzt. An Bord war ein Junge namens Abraham Kemach, der in Thomas Pellows Alter war. Ein zweites neuenglisches Schiff, die
Princes
, wurde ebenfalls gerade für die Atlantiküberquerung vorbereitet. Die neun Männer der Crew, zu der sich noch ein zahlender Passagier gesellte, ahnten nichts von der Gefahr, auf die sie zusteuerten.
Die Besatzung der
Francis
hatte außer dem Himmel keine Gesellschaft, als das Schiff in die lange Dünung des Atlantik vordrang. Die Männer waren glücklich, wieder auf See zu sein, und freuten sich auf die kurzen Techtelmechtel mit den schwarzhaarigen genuesischen Dirnen. Der junge Thomas hingegen bereute es bald, zur See gefahren zu sein. Wie sich herausstellte, war sein Onkel ein extrem harter Lehrmeister, der seinem Neffen keinerlei Vorzugsbehandlung zugestand. »Ich hatte kaum oder überhaupt keine Zeit zu spielen«, beklagte sich Thomas später, und wenn er bei der Arbeit nachlässig war, war ihm »ein Lohn mit der neunschwänzigenKatze gewiss«. Um ihn zur Disziplin zu erziehen, befahl Kapitän Pellow seinem Neffen, »selbst beim schlimmsten Wetter zum Top des Hauptmastes hinaufzuklettern«.
Vielleicht wusste Kapitän Pellow, wie man aus einem jungen Burschen einen Seemann machte, aber er war einigermaßen nachlässig bezüglich der Sicherheit seines Schiffs. Er hatte keinerlei Vorkehrungen für einen etwaigen Bruch des jungen Friedensabkommens getroffen und nicht eine einzige Muskete an Bord genommen. Bei einem Angriff würde die
Francis
vollkommen wehrlos sein.
Der schwierigste Teil der Reise der
Francis
war die Passage der Meerenge von
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